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Lieber Diktator als schwul“?!

Besuch aus BelarusWeißrussische Jugendliche zu Besuch beim LSVD

Lieber Diktator als schwul!“ – mit diesen Worten watschte der weißrussische Präsident Lukaschenko 2012 jegliche Kritik des damaligen Außenministers Westerwelle am Regime in Minsk ab. Alle Fernsehsender brachten dieses Statement – auch das weißrussische Fernsehen berichtete, und die große Mehrheit der Bevölkerung stimmte ihrem Staatsoberhaupt fast einmütig zu. Dieser schaltet und waltet seit über 20 Jahren mit fester Hand in der letzten Diktatur Europas. Jegliche Protestaktionen gelten als „terroristischer“ Akt, der scharf geahndet werden kann.

Eine lebhafte und kritische Zivilgesellschaft, eine starke Opposition, Versammlungs- oder Pressefreiheit? Fehlanzeige! Kein Wunder, dass auch eine Organisation für die Rechte von LSBT offiziell nicht registriert werden kann. Polizeiliche „Präventionsgespräche“ führen immer wieder dazu, dass Aktivistinnen und Aktivisten das Land verlassen oder sich ein ungefährlicheres Beschäftigungsfeld suchen. Die Initiativen „Allianz Weißrussland“ und „GayBelarus“ firmieren als „Projekte“; denn Mitglied in einer nicht registrierten Organisation zu sein, ist illegal. Mit „Vstrecha“ („Treffen“) gibt es zwar eine erlaubte Organisation. Sie arbeitet in der HIV / AIDS –Prävention und versucht dabei auch LSBT-Anliegen zu vertreten. Doch trotz dieser staatlichen  Registrierung ist die Arbeit alles andere als leicht. Druck durch die Behörden, Verbote von Veranstaltungen, fehlende Gelder oder Störungen durch die Polizei gehören zum Alltag. Erst  vor kurzem wurde eine vom Gesundheitsministerium bereits genehmigte Veranstaltung zum Welt-AIDS-Tag vom Innenministerium doch noch untersagt. Man könne Lesben und Schwulen nicht die Erlaubnis geben, sich zu treffen, so die Ansage aus dem Innenministerium. Für Anfang 2015 rechnet man mit dem seit fast einem Jahr angekündigten Gesetz „Über die Begrenzung des Zugriffs von Minderjährigen auf Informationen, die sie negativ beeinflussen könnten.“ Was sich dahinter verbirgt, weiß man nicht. Es klingt nach einem Antipropagandagesetz nach russischem Vorbild.

So erzählt es uns eine Gruppe von 15 Jugendlichen aus dem Land, die im Rahmen eines von von Vstrecha und der Berliner AIDS-Hilfe organisierten Aufenthalts auch das LSVD-Hauptstadtbüro besucht. Das Projekt wird gefördert im Programm EUROPEANS FOR PEACE der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ).  Die Jugendlichen sind zwischen 18 und 21, kommen aus allen Teilen des Landes und haben mit ihrem Motivationsschreiben die Reise nach Berlin gewonnen. Das Preisausschreiben konnte ausschließlich über die sozialen Medien beworben werden, Plakate oder Berichterstattung waren unmöglich. Offiziell ist der Grund der Reise ein Austausch im Bereich HIV-Prävention. Nur die Hälfte ihrer Familien kennt den Grund ihrer Reise. Die wenigstens wollen aufs gemeinsame Foto.

Wir erzählten von unseren mit der Hirschfeld-Eddy-Stiftung organisierten Menschenrechtskonferenzen in Kiew (2008), Riga (2010), St. Petersburg (2010) und Belgrad (2014). Die St. Petersburger Konferenz konnten ebenfalls nicht öffentlich beworben werden und wurde von einer privaten Sicherheitsfirma geschützt. Da es zu riskant war, LSBT im offiziellen Konferenztitel zu führen, wichen wir auf „Nichtdiskriminierung“ aus. Ob das auch in Weißrussland denkbar wäre?

Nein, so die klare Antwort. Es finden nur Veranstaltungen statt, die das Lukaschenko-Regime stützen. Die Durchführung einer Weißrussland-Konferenz in Nachbarländern wie Polen, der Ukraine oder Litauen hingegen wäre realisierbar. Sehr interessiert zeigten sich die Gäste auch an unseren Besuchsreisen von LSBT-Aktivistinnen und Aktivisten nach Deutschland, die wir seit einigen Jahren mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes organisieren. Sicher eine Perspektive für eine weitere Zusammenarbeit.

 

Markus Ulrich
LSVD-Pressesprecher



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