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Europa ist mehr als blau-gelb

Auftakt der Europäischen Regenbogenfamilien-Konferenz in Köln

Die Sonne scheint in Köln, anders als zu Hause, weswegen ich auch mit Stockschirm auf die Jugendherberge Köln-Diehl zulaufe, wo die dritte europäische Regenbogenfamilien-Konferenz stattfinden soll. Da ich die letzten Jahre auch immer auf den deutschen Regenbogenfamilien-Konferenzen in Berlin war, ist der Anblick mir schon bekannt. Viele Mütter- oder Väterpaare spielen oder unterhalten sich mit ihren Kindern, bevor es bei der Eröffnung einige Reden zu überstehen gilt. Anders ist diesmal der Ort, Köln statt Berlin, anders auch die Alterspanne der Kinder. Hier sind vom Baby bis zum erwachsenen jungen Mann (der selbst schon Vater ist, wie ich später erfahre) also auch erwachsene Kinder dabei. Und anders ist auch das Sprachgewirr, kein Wunder bei Familien aus 19 verschiedenen Ländern. Hier wird die blaue Europa-Fahne mit den goldenen Sternen bunter, die Regenbogenfahne weht gleichberechtigt neben ihr, überdeckt sie manchmal durch das Spiel des Windes.

Ich darf als erster ans Rednerpult im vollbesetzten Plenum und im Namen des LSVD begrüßen. Nach mir ist Dr. Lisa Green an der Reihe, die Vizepräsidentin von Nelfa (Netzwerk der europäischen Regenbogenfamilien). Ich kenne Lisa, sie war auch im Landesvorstand des LSVD Baden-Württemberg, aber mit 3 Kindern muss man sich seine Zeit, die man mit ehrenamtlichem Engagement verbringt, einteilen. So begrüßt sie im Namen von NELFA, spricht über ihre noch relativ junge Organisation (zu deren Gründungsmitgliedern der LSVD gehört) und verweist mit Hinblick auf das Motto der Konferenz „different families — same schools“ auf die lebhafte Diskussion in Baden-Württemberg zum Thema Lehrpläne. Die gebürtige Amerikanerin Lisa kann dabei nicht verleugnen, dass sie in diesem Bundesland mit ihrer Familie lebt: „Wir kommen aus Konschtanz“.

Bettina Luise Rürup ist die Leiterin des Forum Politik und Gesellschaft der Friedrich Ebert Stiftung. Die Stiftung unterstützt und arbeitet seit langen Jahren mit dem LSVD zusammen, war Geldgeber und Mitorganisator der deutschen Regenbogenfamilien-Konferenzen. Das erste Mal organisiert man nun zusammen mit dem LSVD auf europäischer Ebene, und erreicht somit in der Zusammenarbeit ein neues Niveau. Die gesellschaftliche Bedeutung von Bildung für die Weiterentwicklung der Gesellschaft ist wichtig, weswegen wir eine offenere Gesellschaft auch nur durch umfassende und die Vielfalt vermittelnde Lehrpläne in den Schulen erhalten.

Sie habe keinen Moment gezögert, erklärt danach die Familienministerin Manuela Schwesig in ihrer Videobotschaft, die Schirmherrschaft für diese Konferenz zu übernehmen. Terminschwierigkeiten verhindern ihre persönliche Anwesenheit, die Botschaft ihres Grußwortes lässt aber an Klarheit nichts zu wünschen übrig: „Gemeinsam müssen wir dafür kämpfen, dass Regenbogenfamilien in ganz Europa als Normalität und Realität anerkannt werden.“ Ihren Worten kann man glaubhaft entnehmen, dass das für sie kein Lippenbekenntnis ist, sondern Grundüberzeugung für ihre politische Arbeit, auch wenn es mit der Union als Koalitionspartner nicht einfach sein wird, Fortschritte zu erzielen.

Einen ersten Eindruck von den unterschiedlichen rechtlichen Situationen für Regenbogenfamilien in Europa vermittelt Dr. Loveday Hodson von der Universität Leicester. Dr. Hodson forscht und lehrt zu Menschenrechten und sexueller Identität, speziell im Bereich Familienrecht. Die politische Erläuterung und Ergänzung dazu liefert Robert Biedroñ, Generalberichterstatter über LGBTI-Rechte in der parlamentarischen Versammlung des Europarates. Das Eröffnungsplenum wird komplettiert durch die Ausführungen von Angelo Beerbotto, einem Anwalt aus Großbritannien, spezialisiert auf Kinderrecht.

Ein erstes Highlight der Konferenz ist ohne Zweifel die von Dr. Lisa Green moderierte Gesprächsrunde mit Jugendlichen aus Regenbogenfamilien. Man wünscht sich sehnlich alle jene reaktionären Köpfe herbei, die gebetsmühlenartig wiederholen: ¨Kinder brauchen Vater und Mutter¨. Eindrucksvoll und mit der der Jugend eigenen Klarheit, werden diese Stereotype von den Kindern aus Regenbogenfamilien zerlegt. ¨Man lernt doch seine Sexualität nicht von seinen Eltern, die entwickelt sich doch individuell.¨, räumt ein Junge mit dem Vorurteil der ¨Übertragung¨ von Homosexualität von Eltern auf Kinder auf. Unter Freunden sei das Thema 2 Mamas oder 2 Papas natürlich auf Interesse gestoßen, das aber ganz schnell nachgelassen habe, als die merkten, dass es in gleichgeschlechtlichen Familien „genauso langweilig“ zu geht wie bei ihnen zu Hause. Und Malte zeigt sich sichtlich genervt von der Frage, ob ihm bei zwei Müttern nicht die Vaterrolle gefehlt habe: „Ich habe auch ohne Vater gelernt, im Stehen zu pinkeln.“ Insgesamt werden hier sehr reflektiert, von jungen Menschen die es aus eigener Erfahrung wissen, jedes Vorurteil bezüglich Regenbogenfamilien zerlegt und auch jede Besonderheit im Gegensatz zur klassischen Familie widerlegt. Diese jungen Menschen werden Teil einer Gesellschaft sein, die akzeptierend mit Regenbogenfamilien umgehen werden. Weil durch sie und durch ihre Kinder vorurteilsfreie Multiplikatoren in dieser Gesellschaft von morgen wirken werden. Alleine das lässt hoffnungsvoll in die Zukunft schauen.

Axel Hochrein
LSVD-Bundesvorstand



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