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Das Regenbogeneuropa trifft sich in Köln

LSVD_Axel_HochreinDokumentation der Begrüßungsrede von LSVD-Bundesvorstand Axel Hochrein anläßlich der 3. Europäischen Regenbogen-familienkonferenz (01.–04. Mai in Köln)

 

Sehr geehrte Frau Rürup,
Sehr geehrte Frau Kortländer,
Sehr geehrte Frau von Känel,
Liebe Elke Jansen,

Es ist mir eine große Freude, Sie und Euch alle in Köln im Namen des Lesben und Schwulenverbandes zur dritten europäischen Konferenz für Regenbogenfamilien begrüßen zu dürfen. Und das ist weit mehr als eine Standardformel, die man obligatorisch bei Konferenz-Eröffnungen sagt. Mein Mann Andreas und ich haben zwar selbst keine Kinder, aber wir sind ganz einfach Familien-Fans und als selbstbewusste schwule Männer der festen Überzeugung, dass Lesben, Schwule und Trans-Menschen nicht nur alles genauso gut wie heterosexuelle Menschen können, sondern vieles noch ein Stückchen besser. Und deshalb sind Regenbogenfamilien nicht nur ein ganz selbstverständlicher Teil der vielfältigen Familienformen, sondern eine besonders guter Familienform. Und nachdem ich bei den jährlichen nationalen Regenbogenfamilien-Konferenzen, die der LSVD zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung organisieren, dabei sein darf, geht einem einfach das Herz auf, bei diesem europäischen Treffen dabei sein zu dürfen. Und deshalb gilt mein wichtigster Gruß Euch, den Familien, den Väter- und Mütterpaaren und Euren Kindern aus 18 europäischen Ländern und Kanada.

Knapp drei Wochen vor der wichtigen Europawahl trifft hier in Köln ein besonderes Europa zusammen, das Regenbogeneuropa. Um sich besser kennen zu lernen, sich zu vernetzen, um miteinander Spaß zu haben und um über ein wichtiges Thema zu diskutieren: Schule und Bildung.

Denn auch wenn der österreichische Dramatiker Johann Nestroy der Überzeugung war „Die Welt ist die wahre Schule, denn da lernt man alles von selbst.”, verlassen wir uns natürlich nicht auf diese dann doch oft zufällige Bildungsvermittlung, sondern vertrauen auf die Wissensvermittlung durch Schulen. Schulen sind Orte des Lehrens, des Lernens und der Begegnung. Sie sollen ihren Teil dazu beitragen, Kinder und Jugendliche in die Welt hineinzuführen. Es geht dabei aber natürlich nicht nur um Wissensvermittlung, es geht dabei auch um Menschen- und Weltbilder, Wertvorstellungen, Überzeugungen. Schulen prägen das Selbstverständnis und das Verhalten in der Gesellschaft. Deshalb müssen die Lehrpläne der Schulen, die Lehrer und Lehrerinnen gesellschaftlich nicht nur up-to-date, sondern nach Möglichkeit vorausschauend sein.

Leider scheitert diese Anforderung oft schon daran, auf der Höhe der Zeit zu sein. Nach Jahrhunderten rein heteronormativ und oft auch religiös geprägter Lehrpläne und Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen stehen wir in vielen Ländern noch am Anfang von zwei wichtigen Anforderungen an Schulen über die wir uns sehr einig sein dürften:

Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien, die umfassend gesellschaftliche Vielfalt, auch die sexuellen Identitäten betreffend, widerspiegeln und Schulen, in denen sich Kinder aus Regenbogenfamilien als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wiederfinden.

Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es enormer Anstrengungen und ich mache mir als politischer Aktivist und Lobbyist in Sachen LGBTI-Rechte auch keine Illusionen, dass hier noch ein langer und steiniger Weg vor uns liegt. Dabei finden wir in den einzelnen europäischen Ländern unterschiedliche Ausgangssituationen vor, was alleine z.B. die rechtliche Gleichstellung für lesbische oder schwule Paare mit Kindern oder das Adoptionsrecht betrifft. Es ist ganz einfach inakzeptabel, dass rechtliche und gesellschaftliche Diskriminierung von sexueller Identität und geschlechtlicher Orientierung auf Grund von Traditionen, Ideologien oder religiösen Überzeugungen nicht nur dazu benutzt werden, dass nicht-heterosexuelle Menschen kein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben führen können, sondern dass damit auch Kindern in und aus diesen Beziehungen eine Benachteiligung erwächst. Und es ist geradezu perfide, dass jene reaktionäre Kräfte, die das verhindern wollen, genau das beschädigen was sie angeblich schützen wollen: das Kindeswohl.

Leider müssen wir uns auch im Jahr 2014 mit lautstarken und aggressiven Kräften auseinandersetzen, die  beim Begriff Ehe und Familie nur an Adam und Eva und Vater-Mutter-Kind denken können und in der Vergangenheit leben. Das erleben wir in Deutschland, das erleben wir in unseren europäischen Nachbarländern, diese Menschen finden sich leider weltweit. Und für diese Menschen ist natürlich das Thema dieser Konferenz, schlicht undenkbar. Alleine solch eine Konferenz schon unvorstellbar. So etwas gab es doch nicht in der Vergangenheit. Aber wir hier sind nicht die Vergangenheit, wir sind die Gegenwart und die Zukunft lebt mitten unter uns. Und deshalb können diese Gegner uns zwar unbestritten Schwierigkeiten machen, aufhalten können sie uns nicht. Dass sie das nicht können, dafür ist dieses Zusammentreffen der beste Beweis.

Und das ist kein Pfeifen im Wald, sondern Erkenntnis aus dem Bohren dicker Bretter. Und für dieses Bohren steht auch mein Verband, der LSVD, beim Thema „Regenbogenfamilie”. 2002 haben wir mit Mitteln des Familienministeriums das Projekt Regenbogenfamilie bei uns im Verband angesiedelt. War der Begriff der Regenbogenfamilie zwei Jahre nach Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft in Deutschland noch weitgehend  unbekannt und gesellschaftlich wie politisch wenig relevant und teilweise höchst umstritten, hat sich das zwölf Jahre später entscheidend verändert. Regenbogenfamilien gelten heute viel selbstverständlicher als eine der möglichen Familienformen in unserem Land. Wir wären ohne den teilweise erbitterten Widerstand der konservativen Unionsparteien natürlich weiter und schauen schon etwas neidisch auf unsere Nachbarländer, in denen die Ehe geöffnet und gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam Kinder adoptieren können, oder keine gesetzlichen Hürden bei der reproduktiven Medizin in den Weg gelegt bekommen. Das hält uns aber nicht davon ab, weiter aktiv an diesen dicken Brettern zu bohren. Oder um es mit den Worten meine Vorstandskollegen Günter Dworek zu sagen: das ist oft der einzige Weg zu den Köpfen, die sich hinter diesen Brettern befinden, durchzukommen und sie zu belüften.

Kurt Tucholsky, der Autor des wunderschönen Romans „Schloß Gripsholm” sagte:  ”Schulreform ohne Gesellschaftsreform ist ein Unding.”, und zeigt damit genau die Wechselwirkung und oft auch fatale Beziehung zwischen Schule und Gesellschaft. Wir brauchen moderne Schulen, um zu einer modernen Gesellschaft zu kommen. Leider müssen wir heute dabei oft gegen eine von falscher Schule geprägten Gesellschaft ankämpfen. Anspruch an eine moderne Gesellschaft ist, dass alle hier relevanten sozialen Einrichtungen, beginnend mit Kindergarten und Schule, kompetent und akzeptierend zu allen Fragen rund um Homosexualität und Familie informieren, beraten und unterstützen können. Und mit moderner Gesellschaft meine ich nicht, die oft in Sonntagsreden geforderte „tolerante Gesellschaft”. Da halte ich es mit unserem deutschen Dichterfürsten Goethe: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zu Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.” Und im Jahr 2014 ist eine reine „Duldung” von Regenbogenfamilien in meinen Augen eine Beleidigung. Es darf vielmehr keine Toleranz mehr gegenüber jenen geben, die auf Grund der sexuellen Identität und geschlechtlichen Orientierung diskriminieren.

Insofern bin ich mir sicher, dass die Diskussionen, Fachforen und der Austausch dieses Zusammentreffens dabei helfen werden, zur Anerkennung beizutragen und den Regenbogen in die Schulen zu bringen, wie es so schön im Konferenznamen heißt.

Dass dies überhaupt und in so guter Organisation möglich ist, verdanken wir der Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dafür möchte ich Ihnen, Frau Rürup, herzlich danken; ich denke, wir erleben hier ein weiteres Highlight unserer gemeinsamen Zusammenarbeit beim Thema Regenbogenfamilie und im größeren Sinne beim Thema Gleichstellung. Besonders möchte ich mich hier aber bei Frau Toeder und Frau Javad bedanken. Auch für die effektive Zusammenarbeit mit Elke Jansen, die von Seiten des LSVD diese schöne Konferenz mitorganisiert hat. Auch Frau Korn will ich nicht unerwähnt lassen, die maßgeblichen Input für die Konferenz geleistet hat. Dem hohen Engagement und der unermüdliche Arbeit dieser Damen verdanken wir , dass hier bis Sonntag der unbeschwerte Austausch nicht nur stattfinden kann, sondern dies auch von einem erlebnisreichen Rahmenprogramm begleitet wird. Ich denke, das ist einen besonderen Applaus Wert.

Und den anwesenden Kindern und Jugendlichen, die vielleicht jetzt noch die Augen verdrehen, weil da vorne einer so langweilig quatscht, kann ich nur versprechen, wenn Ihr nach Hause fahrt, habt Ihr tolle und erlebnisreiche Tage hinter Euch, dafür ist bestens gesorgt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch allen eine interessante und erlebnisreiche, vor allem aber familiäre Konferenz.

 



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