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Eheöffnung und Adoption

 Aktueller Stand in Deutschland und weiteren europäischen Ländern

Grafik: LSVDHeute haben neun Staaten in Europa die Ehe für Lesben und Schwule geöffnet. Die Ehe-Öffnung geht häufig einher mit dem vollen Adoptionsrecht. Trotzdem bleibt die rechtliche Situation in Europa heterogen. Einige Länder, vor allem in Osteuropa, sehen keine rechtliche Absicherung für homosexuelle Paare vor und damit auch kein Adoptionsrecht, andere Länder haben in deutlicher Abgrenzung zur Ehe ein eigenes Rechtsinstitut (eingetragene Partnerschaft oder „civil union“) geschaffen, das je nach Ausprägung die Stiefkind‑, Sukzessiv- oder sogar volle Adoption ermöglicht.

Allein seit Beginn des Jahres 2013 sind gleich in mehreren Ländern weitreichende Gesetze erlassen oder Gerichtsurteile gefällt worden: In Frankreich trat nach teilweise massiven Protesten aus Teilen der Bevölkerung am 18.5.2013 das Gesetz zur „mariage pour tous“ in Kraft. Gleichgeschlechtliche Paare können jetzt heiraten und gemeinsam ein Kind adoptieren oder ein/e Ehegatte/-gattin kann das Kind des  Ehegatten oder der  Ehegattin annehmen.

In Deutschland, wo gleichgeschlechtliche Beziehungen seit 2001 durch das Institut der eingetragenen Partnerschaft abgesichert sind, sorgten im ersten Halbjahr 2013 zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts für Aufmerksamkeit. Zum einen wurde am 6. Juni 2013 die Entscheidung zur Gleichstellung bei der Einkommensteuer verkündet, zum anderen hatte das Gericht am 19. Februar 2013 klargestellt, dass das bisher in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft geltende Verbot der Sukzessivadoption, also die Annahme eines bereits angenommenen Kindes durch den jeweils anderen Partner/die andere Partnerin, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei und forderte den Gesetzgeber auf, bis zum 30. Juni 2014 eine verfassungsmäßige Regelung zu treffen. Bisher war lediglich die sogenannte Stiefkindadoption möglich, das heißt, eine lesbische Frau kann zum Beispiel das Kind ihrer Partnerin aus einer vorangegangenen Beziehung mit annehmen, wenn der leibliche Vater zustimmt. Die gemeinschaftliche Adoption war nicht Gegenstand dieses Verfahrens, aber auch dazu ist bereits eine Richtervorlage beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Allerdings ermöglicht die neue Rechtslage diese indirekt, denn nun kann ein Partner weiterhin allein ein Kind adoptieren, das dann – möglicherweise sogar noch am selben Tag – im Rahmen der Sukzessivadoption von dem anderen Partner angenommen wird.

Schließlich ebnete 2013 mit Großbritannien ein weiterer, großer EU-Mitgliedstaat den Weg zur rechtlichen Gleichstellung von Lesben und Schwulen: Im Juli verabschiedete das britische Parlament ein Gesetz zur Öffnung der Ehe, das ab Mitte 2014 auch in England und Wales Eheschließungen von lesbischen und schwulen Paaren erlaubt. Paare, die bereits die seit 2005 mögliche sogenannte zivile Partnerschaft eingegangen sind, können diese in eine Ehe umändern. Schon heute ist es den Partnern oder Partnerinnen in einer zivilen Partnerschaft möglich, gemeinsam ein Kind zu adoptieren.
Die Zahl der Regenbogenfamilien, also Familien, in denen Kinder bei ihren lesbischen Müttern und/oder ihren schwulen Vätern aufwachsen, wächst kontinuierlich. Stammten die Kinder dabei bisher vorwiegend aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen, entscheiden sich immer mehr Lesben und Schwule nach ihrem Coming-out für eigene Kinder. Dabei stellt die Insemination einen Weg dar, sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Immer häufiger übernehmen homosexuelle Paare aber auch die Pflegschaft für ein oder mehrere Kinder oder sie adoptieren ein Kind. Eine Studie, die 2009 im Auftrag des Bundeministeriums der Justiz die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partner-schaften untersuchte, bescheinigt lesbischen Müttern und schwulen Vätern, dass sie in ihrer elterlichen Kompetenz heterosexuellen Paaren in nichts nachstehen.

Dieser positiven Einschätzung zum Trotz wird voraussichtlich Russland keine Ausnahme bleiben, wenn es darum geht, ausländischen lesbischen und schwulen Paaren den Zugang zur Adoption zu verwehren. Wahrscheinlicher ist, dass die rechtliche Stärkung und größere Sichtbarkeit gleichgeschlechtlicher Paare aufgrund der Eheöffnung in einigen Ländern auch zur Folge haben wird, dass weniger liberale Länder die Adoption durch ausländische homosexuelle Paare erheblich erschweren oder ganz verbieten werden. Demnach wäre erst die völlige Öffnung der Adoption auch für homosexuelle Eheleute ein noch genauerer Gradmesser für die tatsächliche Akzeptanz von Lesben und Schwulen in der Gesellschaft.

Eva Henkel, LSVD-Bundesvorstand



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