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Ein wichtiger Schritt – aber noch sind wir nicht am Ziel!

Foto: Humboldt-Universität zu BerlinBericht von der Urteilsverkündung 

Dass das Gericht in seiner Rechtsprechung dem gesellschaftlichen Wandel hin zur Akzeptanz von Homosexualität Rechnung trägt, hat es explizit in den Urteilen zum Lebenspartnerschaftsgesetz vom 17. Juli 2002 und zur Hinterbliebenenrente vom 7. Juli 2009 betont. Insofern ist es in der positiven Wahrnehmung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften weiter als die Bundesregierung.

Auch beim Urteil zur Sukzessivadoption am 19.02.2013 hat der Erste Senat den Gesetzgeber korrigiert und damit de facto seine Aufgaben übernommen. Die überwiegende Mehrheit der Sachkundigen hatte schon in der mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2012 große Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Adoptionsverbots formuliert. Dennoch war die Stimmung des Publikums im Sitzungssaal am Morgen der Urteilsverkündung durchaus gespannt. Was würde das Gericht sagen? Wie würde es seine Erwägungen verfassungsrechtlich begründen?

Wir sind Studierende der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und nehmen in diesem Jahr an der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte teil. Diese Law Clinic, deren Konzept aus der Juristenausbildung in den USA stammt, bietet uns die Möglichkeit, die juristische Praxis der Grund- und Menschenrechte kennen zu lernen. Der LSVD ist Kooperationspartner der Law Clinic und bietet uns durch ein juristisches Praktikum beim LSVD-Hauptstadtbüro einen Einblick in die Arbeit. Da wir uns besonders mit dem Thema Adoption beschäftigen, waren wir nach Karlsruhe gereist, um der Urteilsverkündung, deren Inhalt von großer Wichtigkeit für unsere Arbeit ist, beizuwohnen.

Die Richterinnen und Richter erwarteten wir wie viele andere Anwesende um 10 Uhr im Sitzungssaal. Dass das öffentliche Interesse groß war, bewiesen die zahlreichen Journalistinnen und Journalisten, die die Entscheidung in vielen Medien kommentierten. Vizepräsident Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof und Berichterstatterin Prof. Dr. Gabriele Britz verlasen eine historische Entscheidung, die für viele Regenbogenfamilien vor allem rechtliche Absicherung ihrer sozial-familiären Beziehung bedeutet. § 9 Abs. 7 des Lebenspartnerschaftsgesetzes verwehrte bisher die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten Kindes des eingetragenen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner (Sukzessivadoption).

Das Gericht stellte eine Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern und deren Kindern im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG fest und erklärte das Verbot mangels Rechtfertigung für verfassungswidrig. Die Rechtfertigung scheitere unter anderem daran, dass die Freiheitsrechte auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung  (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 S.1 GG), auf staatlichen Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) berührt, aber nicht verletzt seien. Das Grundgesetz räume dem Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seines Schutzauftrags einen Beurteilungsspielraum ein, dessen Grenzen vorliegend nicht überschritten worden seien.

Die Aufgabe des Gesetzgebers ist von den zwei Richterinnen und sechs Richtern klar definiert worden. Bis zum 30. Juni 2014 muss der Bundestag zudem eine  verfassungskonforme Regelung treffen. Die Sukzessivadoption ist jedoch ab sofort möglich. Die Prüfung, ob darüber hinausgehend auch die gemeinschaftliche Adoption verfassungsgemäß ist, obliege im Rahmen der erforderlichen Gesetzesänderungen zunächst dem Gesetzgeber, so deutete das Gericht in seinen letzten Bemerkungen an. Im Zweifel wird es sich bald selbst mit dieser Frage beschäftigen müssen. Wir hoffen, dass die Bundesregierung die Vorgabe aus Karlsruhe rasch umsetzt und sie den Mut hat, Ehe und Lebenspartnerschaft auch in anderen Bereichen gleichzustellen.

Obgleich das Urteil in seinem Ergebnis erwartet worden war, enthielt es unter anderem die bedeutende Feststellung, dass die Sukzessivadoption dem Kindeswohl regelmäßig zuträglich ist, da sie eine rechtliche Absicherung bedeutet. Diese Einschätzung ist auch dahingehend zu verstehen, dass ein Kind, das mit homosexuellen Eltern aufwächst, keine Nachteile erleidet, sondern es vielmehr unabhängig von dem Geschlecht der Eltern auf die Struktur der sozial-familiären Gemeinschaft  ankommt. Insofern habe die Sukzessivadoption stabilisierende entwicklungspsychologische Effekte für die Kinder in Regenbogenfamilien.

Unsere Aufgabe wird es nun sein, das Urteil zu analysieren und Fragestellungen zu formulieren, die das Urteil aufwirft. Wir werden im Rahmen unseres Praktikums ein Gutachten zum gemeinsamen Adoptionsrecht verfassen.

Von Teresa Amigo und Tobias van Nüß,

Law Clinic



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