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Als Konservativer für Gleichstellung

Interview mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak

respekt!: Im Sommer haben Sie und die sogenannten „Wilden 13“ in der Unionsfraktion die steuerliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften gefordert. Auf dem Parteitag der CDU waren es über 115 Delegierte, die einen solchen Antrag unterschrieben haben. Letztlich wurde er von 40% der Delegierten unterstützt. Ist die Parteibasis weiter als die Führung?

Es ist wie so häufig eine Frage von Lebenserfahrung und persönlichen Begegnungen. Wer Schwule und Lesben aus Parteiveranstaltungen und aus seinem Alltag kennt, hat es leichter. Die Abgeordneten aus Berlin haben etwa fast alle unseren Antrag unterstützt. Wir hatten eine beachtliche Gruppe hinter uns, mit mehr Zeit wäre die Zahl vermutlich noch größer geworden. Es gab jedenfalls eine sehr gute, sachliche und offene Debatte. Auch das Ergebnis von 40 Prozent Zustimmung zeigt, dass viele in unserer Partei weiter sind, als gemeinhin angenommen wird. Das gilt im Übrigen auch für unsere Wähler –  71% der Unionswähler haben nichts gegen Gleichstellung. Warum auch? Durch die steuerliche Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften wird keinem Ehepaar etwas weggenommen und im Übrigen auch kein einziges Kind weniger geboren.

respekt!: Sie argumentieren ähnlich wie David Cameron, der sagt, die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften sei eine konservative Aufgabe. In Medien und Öffentlichkeit heißt es hingegen, die Anerkennung von Homosexuellen sei Ausdruck von Moderne. Zeigt sich hier das Dilemma zwischen traditionellen Werten und Lebensrealität?

Ich sehe keinen Widerspruch. Ein Entweder-oder zwischen konservativen und liberal-progressiven Werten existiert im Kern nicht. Bei eingetragenen Lebenspartnerschaften geht um zwei Menschen, die sich lieben, Verantwortung übernehmen und füreinander einstehen wollen und z.B. gegenseitige Unterhaltspflichten übernehmen. Dieses bewusste Eingehen von rechtlichen Pflichten, das Jasagen zu Verantwortung, das ist ein zutiefst konservativer Wert, den wir an anderer Stelle immer wieder einfordern und unterstützen. Daher bin ich auch und gerade als Konservativer für die Gleichstellung.

respekt!: Insider sagen Angela Merkel müsse sich ablehnend bei der Gleichstellung positionieren, um auch die rechtskonservativen Teile der Partei zu gewinnen. In der Abstimmung zur Gleichstellung stand es 40 zu 60. Wären die 98% für die Parteivorsitzende nicht auch möglich gewesen, wenn Merkel die Partei auf einen anderen Kurs mitgenommen hätte? 

Merkel hat als Parteivorsitzende die Aufgabe, alle Stränge und unterschiedlichen Sichtweisen in einer Volkspartei zusammen zu führen. Wichtig fand ich, dass sie Raum für die Diskussion gelassen und sich ausdrücklich für eine offene Debatte ausgesprochen hat. Auch wenn sie sich persönlich erklärt hat, hat sie also gerade nicht als Parteivorsitzende  versucht, das Ergebnis in eine bestimmte Richtung zu drängen.

respekt!: Die CDU hat sich als bundespolitische Partei immer wieder gegen Gleichstellung gestellt, in den Ländern sah das bisweilen anders aus: Beispiele waren Hamburg unter Ole von Beust oder das Saarland unter Peter Müller. Inzwischen hat die CDU in Hamburg, Frankfurt, Stuttgart und zuletzt in Karlsruhe empfindliche Wahlniederlagen erlitten. Beunruhigt es Sie als Vertreter der jüngeren Abgeordneten, dass die CDU sich in dieser Frage auf verlorenem Posten positioniert?

Es geht darum, gesellschaftliche Realitäten anzuerkennen und das Lebensgefühl von Menschen nachzuvollziehen.  In großen Städten sind gesellschaftliche und soziale Entwicklungen zudem früher sichtbar und treten deutlicher hervor als das etwa in ländlichen Regionen der Fall ist. Die Politik insgesamt, aber auch und gerade die Politik in großen Städten müssen insofern alltagstaugliche und an der Realität orientierte Antworten finden. Mein Wahlkreis Schöneberg hat z.B. einen ähnlich großen Schwulenkiez wie Köln. Für die Menschen in Schöneberg sind schwules Leben, schwule Nachbarn oder schwule Cafés Alltag.  Ich will, dass wir das als Partei nachvollziehen und als selbstverständlichen Teil unserer Stadt anerkennen. Dazu wollte ich mit meiner Initiative einen Beitrag leisten.

respekt!: Die Tinte der Parteitagsbeschlüsse ist noch nicht getrocknet, da wird die CDU durch das Jahressteuergesetz von der Opposition erneut in die Defensive gebracht. Auch das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich die Gleichstellung fordern. Muss die CDU nicht ihre Position überdenken? Welche Rolle können die „Wilden 13“ dabei spielen?

Wir werden die Zeit nutzen und weiter mit unserem Kollegen sprechen. Ich persönlich bin sehr sicher, dass Karlsruhe unsere Sichtweise bestätigen wird. Wenn die Entscheidung kommt, muss sie schnell und 1:1 umgesetzt werden. Nach unserer Diskussion auf dem Bundesparteitag gibt es auch weder eine Notwendigkeit noch eine Berechtigung dafür, das noch hinauszuzögern.

Die Fragen stellten Axel Hochrein und Renate Rampf

 



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