Kategorien
Veranstaltungen

Danksagung Manfred Bruns

Anlässlich der Verleihung des Preises für mein Engagement gegen Diskriminierung

Sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger,

sehr geehrte, liebe Frau Lüders,

sehr geehrte Damen und Herren,

meine lieben Freundinnen und Freunde!

 

Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, liebe Frau Lüders, sehr herzlich bedanken, dass Sie mich als Preisträger ausgewählt haben, und bei Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin, für Ihre Laudation. Heute ist für mich ein sehr bewegender Tag.

Mit Ihrer Laudatio schließt sich für mich ein Kreis. Der Bundespräsident hat mir nach meiner Pensionierung im Jahre 1994 für mein „gesellschaftliches und gesellschaftspolitisches Engagement für die Emanzipation und Anerkennung Homosexueller, für den Schutz ihrer Rechte und für die Wahrung der Würde von Menschen, die HIV positiv oder an AIDS erkrankt sind“, das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Damals waren Sie ebenfalls Justizministerin und Sie hatten eigentlich vor, mir die Auszeichnung persönlich zu überreichen. Aber das scheiterte an Terminschwierigkeiten. Zunächst bin ich erkrankt und dann konnten Sie nicht. Deshalb hat mir Ihr Staatsekretär in einer Feierstunde im Bundesjustizministerium das Bundesverdienstkreuz überreicht.

Es ist schön, dass wir es nach 18 Jahren nun doch noch geschafft haben zusammenkommen!

Der Staatssekretär hat mir damals ein Schreiben von Ihnen ausgehändigt, in dem Sie die Hoffnung äußerten, dass ich mein Wirken auch weiterhin fortsetzen und so einen Beitrag zu einer toleranten und liberalen Gesellschaft leisten werde. Ich denke, diese Hoffnung habe ich erfüllt.

Ich erinnere mich noch gut an die damalige Feierstunde. Während der Laudatio des Staatssekretärs kam mir immer wieder der Gedanke, dass mein Engagement nicht nötig wäre, wenn das Justizministerium ordentliche Gesetze vorschlagen und durchsetzen würde. Aber so einfach ist das natürlich nicht.

Die Diskriminierung von Minderheiten beruht immer auf Vorurteilen der Mehrheit, die zu gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen geronnen sind. Gegen diese gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen können Gesetze wenig ausrichten. Denn die Emanzipation von Minderheiten kann nicht von oben herab befohlen werden. Sie ist nur durchsetzbar, wenn es gelingt, die verkrusteten Ordnungsvorstellungen aufzubrechen. Dafür ist zum Beispiel der Diskussionsprozess über die Notwendigkeit eines Gleichstellungsgesetzes sehr gut geeignet. Denn in der Diskussion um ein solches Gesetz wird es immer wieder darum gehen, in welchem Ausmaß die Mehrheitsgesellschaft die Menschen- und Grundrechte der Minderheit missachtet. Wenn es dann gelingt, ein solches Gesetz durchzusetzen, kann das den Prozess der Gleichstellung absichern und beschleunigen. Denn ein solches Gesetz verbessert die Möglichkeiten der Benachteiligten, sich zu wehren, und es macht allen Mut, gegen diskriminierende Maßnahmen von Behörden und Privatpersonen die Gerichte anzurufen. Zugleich bindet es die Richter, auch wenn diese als Privatpersonen noch an den Vorurteilen gegenüber den Benachteiligten teilhaben.

Das haben wir mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz so praktiziert. Wir haben die Forderung nach einer rechtlich abgesicherten Partnerschaft für Lesben und Schwule zum ersten Mal vor zwanzig Jahren mit unserer Aktion Standesamt der Öffentlichkeit präsentiert. Damals haben rund 250 Paare bei den Standesämtern versucht, das Aufgebot zu bestellen. Diese Aktion hat ein großes Medienecho ausgelöst. Wir hatten den Paaren einen Katalog der Benachteiligungen mit gegeben, die Lesben und Schwule damals hinnehmen mussten, weil sie nicht heiraten konnten. Einige Schwule waren von dem Umfang des Katalogs sehr überrascht und meinten, sie hätten gar nicht gewusst, wie sehr sie benachteiligt werden.

Die Paare hatten mit ihrer Aktion natürlich keinen Erfolg, aber wir haben die Sache am Kochen gehalten. Unsere Öffentlichkeitsarbeit war so erfolgreich, dass die meisten Journalisten Ende der neunziger Jahre in ihren Artikeln die vielen Benachteiligungen aufzählen konnten, ohne bei uns rückfragen zu müssen.

Das spiegeln auch die Umfragewerte wieder. Bei unserer Aktion Standesamt 1992 waren 30 % der Bevölkerung für die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule, bei der Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahr 2000 waren es schon über 60 %. Heute ist die Eingetragene Lebenspartnerschaft für die Öffentlichkeit kein Thema mehr. Die meisten Mitbürger machen keinen Unterschied mehr zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft und wissen nicht, dass Lebenspartner noch nicht in allen Bereichen dieselben Rechte haben wie Ehegatten.

Offenbar haben nur noch einige Abgeordnete der CDU/CSU und der FDP, der Papst und die katholischen Bischöfe, und einige bayerische Hinterwäldler Probleme damit, dass Lesben und Schwule nun endlich auch als gleichberechtigte Staatsbürger anerkannt werden.

Aber nun zurück zu dem Preis, der mir heute verliehen worden ist. Ich habe dabei aus zwei Gründen ein schlechtes Gewissen. Der eine ist die Tatsache, dass ich mich immer nur für eine Benachteiligtengruppe eingesetzt habe. Wir haben zwar in den neunziger Jahren versucht, Bündnisse mit den anderen Benachteiligtengruppen zu schließen. Aber das ist misslungen. Die gesetzlichen Regelungen und dementsprechend auch die Interessen und Forderungen der verschiedenen Benachteiligtengruppen waren zu unterschiedlich.

Aber meine Mitkämpfer und ich, wir haben wenigstens erreicht, dass Sie, liebe Frau Lüders, mit dem „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ eine bessere Grundlage für Ihre Arbeit erhalten haben als ursprünglich angedacht. Die SPD wollte die europäischen Gleichstellungsrichtlinien zunächst nur „eins zu eins“ in deutsches Recht umsetzen. Das hätte bedeutet, dass im Bereich des Zivilrechts nur die Merkmale „ethnische Herkunft“ und „Geschlecht“ geschützt worden wären. Dann hätten sich zwar Ausländer auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz berufen können, wenn ihnen z.B. der Zutritt zu einer Gaststätte verwehrt wird, nicht aber Lesben und Schwule oder Juden. Dagegen haben wir heftig protestiert und geltend gemacht, dass das einer Aufforderung zur Diskriminierung der nicht geschützten Gruppen gleichkomme. Der Streit hat sich über mehrere Jahre hingezogen, bis die SPD endlich nachgab. Leider ist dadurch die parlamentarische Beratung und Beschlussfassung des rot-grünen Entwurfs so lange verzögert worden, dass er dann infolge der vorzeitigen Auflösung des Bundestages 2005 nicht mehr endgültig verabschiedet werden konnte.

Die neue große Koalition hat wegen der drohenden Strafzahlungen aus Brüssel keinen eigenen Entwurf mehr formuliert, sondern den rot-grünen Entwurf neu ins Parlament eingebracht. Dabei sind zwar noch einige Scheußlichkeiten in das Gesetz eingefügt worden, aber der horizontale Ansatz im Zivilrecht, also die Einbeziehung aller Benachteiligtengruppen, blieb unangetastet. Und die Scheußlichkeiten sind inzwischen durch die Rechtsprechung weitgehend entschärft worden.

Das heißt nicht, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht dringend verbessert werden müsste. Es wäre zum Beispiel sinnvoll, der Antidiskriminierungsstelle — nach dem Vorbild einiger anderer EU-Staaten — das Recht einzuräumen, Streitfragen durch Musterprozesse zu klären. Aber die Diskussion um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist bisher ähnlich irrational verlaufen wie die Diskussion um das Lebenspartnerschaftsgesetz. Von der jetzigen Regierungskoalition werden alle Reformwünsche sofort abgeblockt.

Bemerkenswert ist auch, dass der Staat mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nur der Zivilgesellschaft verboten hat, Minderheiten zu benachteiligen. Sich selbst hat er von dem Verbot weitgehend ausgenommen und er verhält sich auch entsprechend.

Der zweite Grund, warum ich bei dieser Preisverleihung ein ungutes Gefühl habe, ist, dass ich mich um die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle kaum noch gekümmert habe, seitdem Sie, liebe Frau Lüders, die Leitung der Stelle übernommen haben. Seitdem macht die Antidiskriminierungsstelle eine so hervorragende Arbeit, dass ich mir gedacht habe, das läuft auch ohne mich.

Das war vor Ihrer Zeit nicht so. Deshalb habe ich mich sehr nachdrücklich für einen Wechsel in der Leitung der Antidiskriminierungsstelle engagiert. Die Auseinandersetzungen begannen mit dem ersten Kongress der Antidiskriminierungsstelle, dem alle mit großer Erwartung entgegensahen. Umso mehr überraschte uns die Selektion der Teilnehmer. Es wurden nur ausgesuchte Vertreter der Organisationen und Gruppen der Benachteiligten zugelassen. Wir haben zwar mit Tricks versucht, den unerwünschten Vertretern doch noch Einlasskarten zu verschaffen, aber auch das wurde unterbunden. Der größte Affront war aber, dass ausgerechnet Kardinal Lehmann das Impulsreferat halten sollte. Dazu muss man wissen, dass die Katholische Kirche während der parlamentarischen Beratung des Lebenspartnerschaftsgesetzes heftig gegen das Gesetz agitiert und intrigiert hatte. Sie hatte sich aber zum ersten Mal in einer für sie wichtigen Frage nicht durchsetzen können. Das wollten die katholischen Bischöfe offenbar nicht stillschweigend hinnehmen. Deshalb habe sie beschlossen, dass alle in katholischen Einrichtungen beschäftigen Lesben und Schwule entlassen werden sollen, wenn sie eine Lebenspartnerschaft eingehen. Das praktiziert die Katholische Kirche seitdem auch so, und zwar auch dann, wenn die Mitarbeiter evangelisch oder muslimisch sind oder gar keiner Kirche angehören.

Daran verwundert, dass die Kirche keine Bedenken hat, in ihren Einrichtungen evangelische, muslimische oder konfessionslose Menschen zu beschäftigen. Aber wenn diese Menschen eine Lebenspartnerschaft eingehen, soll das die Glaubwürdigkeit der Verkündigung der Katholischen berühren, obwohl jedermann weiß, dass diese Menschen das Eingehen einer Lebenspartnerschaft moralisch anders bewerten als die Katholische Kirche.

Wir hatten aus den geschilderten Gründen gegen die Einladung von Kardinal Lehmann heftig protestiert, aber ohne Erfolg. Um auf dem Kongress selbst Proteste zu vermeiden, sollte es nach den Vorträgen keine Diskussionen mit den Publikum geben. Daran haben sich mein Mitstreiter, Rechtsanwalt Siegfried aus Berlin, und ich nicht gehalten. Wir haben aus dem Saal heraus Kardinal Lehmann in eine Diskussion verwickelt. Dabei habe ich ihm vorgehalten, dass sich Lebenspartner, die bei der Katholischen Kirche tätig sind, heute wieder so verstecken müssen, wie während der Nazizeit. Da dieser spontane Disput auch vom Fernsehen übertragen worden ist, haben sich einige Katholiken bei mir empört beschwert, wie despektierlich ich mit dem Kardinal umgegangen sei. Aber ich stehe heute noch zu dieser Äußerung.

Ich begleite zurzeit vier Kindergärtnerinnen als Beistand, die in katholischen Kindergärten tätig sind. Sie sollen entlassen werden, weil sie ein Kind geboren und deshalb ihre Frauen geheiratet haben. Die Katholische Kirche würde sie weiter beschäftigen, wenn sie sich bereit erklären würden, sich von ihren Frauen scheiden zu lassen und ihr Kind als alleinerziehende Mutter großzuziehen. Die Juristen pflegen dazu zu sagen: Fiat justitia et pereat mundus. Zu Deutsch: Es geschehe Gerechtigkeit, auch wenn die Welt darüber zugrunde geht. Auf die Katholische Kirche gemünzt möchte ich sagen: Die Dogmen sind wichtiger als die Menschen.

Ich habe bisher die Meinung vertreten, dass die Lebenspartner bis zur Bundestagswahl mit Ehegatten völlig gleichgestellt sein werden. Es geht ja nur noch um das Einkommensteuer- und das Adoptionsrecht. Dazu sind beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden anhängig, die mit Sicherheit zu unseren Gunsten ausgehen werden.

Beim Adoptionsrecht geht es um die Tatsache, dass Lebenspartner das leibliche Kind ihres Partners adoptieren dürfen, das adoptierte Kind dagegen nicht. Man nennt das Stiefkindadoption. Sie hat zur Folge, dass Lebenspartner genauso wie Ehegatten gemeinschaftliche Eltern des Kindes werden. Vom Wohl des Kindes her gesehen gibt es keinen Grund, warum die Stiefkindadoption leiblicher Kinder zulässig ist, die von adoptierten Kindern dagegen nicht. Das Bundesverfassungsgericht wird deshalb das Verbot der Stiefkindadoption adoptierter Kinder mit Sicherheit für verfassungswidrig erklären. Dann ist aber auch das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption sinnlos, weil die Lebenspartner es ohne weiteres dadurch umgehen können, dass sie ein Kind nacheinander adoptieren. Die Juristen nennen das Kettenadoption. Ich hatte deshalb bisher angenommen, dass die Koalition nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption aufheben wird.

Inzwischen bin ich mir aufgrund der jüngsten Diskussion über die Gleichstellung im Einkommensteuerrecht nicht mehr sicher, dass das so ablaufen wird. Im Rahmen dieser Diskussion haben sich Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete in einer Weise geäußert, die ich nicht mehr für möglich gehalten habe. So haben einige erklärt, Deutschland brauche gesunden Nachwuchs, es müsse sich deshalb auf die Förderung der Ehe und der Familie konzentrieren. Die Lebenspartner sind in den Augen dieser Politiker „bevölkerungspolitische Blindgänger“. Ich war versucht, einem dieser Abgeordneten den Vorschlag zu machen, die CDU/CSU könne doch das Mutterkreuz der Nazis wiederbeleben. Vielleicht könne man so Deutschland vor dem Aussterben retten.

Ich nehme deshalb jetzt an, dass die Koalition nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur das Verbot der Stiefkindadoption von adoptierten Kindern aufheben wird. Die Aufhebung des dann sinnlosen Verbots der gemeinschaftlichen Adoption wird sie mit der Begründung ablehnen, dass sie dazu nicht ausdrücklich verurteilt worden sei.

Dann müssen wir wieder neue Verfahren starten und diese Verfahren bis zum Bundesverfassungsgericht vorantreiben. Das kann wieder fünf Jahre und mehr dauern. Aber ich denke, das werde ich auch noch durchstehen. Mein Knochengestell macht mir zwar immer mehr Probleme, aber mein Kopf funktioniert noch sehr gut.

Vielen Dank auch für Ihre Geduld!

Manfred Bruns, LSVD

(ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!)

 

Fotos: Caro Kadatz



Teile diesen Beitrag: