Kategorien
Veranstaltungen

Verleihung des Preises für das Engagement gegen Diskriminierung an Manfred Bruns

Begrüßungsworte von Christine Lüders

Sehr geehrte Frau Ministerin,

sehr geehrte Frau Bundesverfassungsrichterin,

sehr geehrte Abgeordnete

des Deutschen Bundestages,

sehr geehrte Mitglieder

des Beirates der Antidiskriminierungsstelle,

sehr verehrte Anwesende,

ich freue mich sehr, dass Sie alle unserer Einladung hier ins Museum für Kommunikation gefolgt sind.

Danke sagen möchte ich zunächst Ich möchte mich sehr bei Ihnen, lieber Herr Isenbort, für die Gastfreundschaft in Ihrem schönen Museum bedanken.

Vor allem aber möchte mich bei dem wichtigsten Menschen des heutigen Abends bedanken. Lieber Manfred Bruns, Sie sind der erste Träger des „Preises für das Engagement gegen Diskriminierung“.

Der Preis

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird diesen Preis ab sofort einmal im Jahr vergeben. Es ist ein undotierter Preis. Doch es ist einer, den wir mit viel Herzblut vergeben –  an Persönlichkeiten oder an Institutionen, die sich in besonderer Weise gegen Diskriminierung und für Gleichbehandlung hervorgetan haben. Nun werden sich einige von Ihnen vielleicht fragen, warum ein solcher Preis überhaupt notwendig ist.

Ist das nicht nur ein Ritual angesichts einer Gesellschaft, die sich liberal und vorurteilsfrei gibt? Sind Gleichheit und Antidiskriminierung bei uns nicht längst selbstverständlich? Nein, das sind sie nicht. Bis vor ein paar Jahren war Antidiskriminierungs- und Gleichbehandlungspolitik in Deutschland ein belächeltes Randthema, eines für Spezialisten und, wie es oft spöttisch hieß, eines für Betroffene.

Anti- Antidiskriminierungs

Während es in den USA oder in England eine seit Jahrzehnten allgemein anerkennte Tradition einer Antidiskriminierungspolitik gibt, brauchte es in Deutschland erst einen Wink aus Europa, um hier aktiv zu werden.

Zwar verbietet das Grundgesetz in Art. 3 die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens oder der religiösen oder politischen Anschauungen.

Auch ein Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderungen wurde später ergänzt. Ein Benachteiligungsverbot wegen der sexuellen Orientierung und eines gegen Altersdiskriminierung fehlt übrigens im Grundgesetz – noch immer.

Doch all diese Benachteiligungsverbote gelten in erster Linie für das Handeln staatlicher Organe gegenüber Bürgerinnen und Bürgern. Sie helfen nicht gegen Diskriminierung in der Arbeitswelt oder beispielsweise bei der Wohnungssuche und bei Versicherungsgeschäften.

Erst mehrere Gleichbehandlungsrichtlinien aus Brüssel wurden hier konkret – und legten ab dem Jahr 2000 den Schutz vor Benachteiligung vor Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität fest. Und es brauchte drei Legislaturperioden, zwei unterschiedliche Regierungslager, drei fehlgeschlagene Anläufe und die Androhung von Strafzahlungen durch die EU-Kommission, bis diese Richtlinien endlich auch in deutsches Recht umgesetzt wurden.

Das AGG

Das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt vor Diskriminierung aufgrund aller genannten Diskriminierungsmerkmale auch im Zivilrecht. Und es sieht – wie von der EU verlangt – die  Einrichtung einer nationalen Antidiskriminierungsstelle vor, die Opfer von  Diskriminierungen beraten, Berichte und Empfehlungen veröffentlichen und forschen soll.

Genau das tun wir von der unabhängigen Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS).

Als wir gegründet wurden, da haben die Gegner des Gesetzes Schreckensszenarien an die Wand gemalt:

  • Milliardenschwere Bürokratiekosten!“
  • Klagewellen!“
  • Das Ende der Vertragsfreiheit!“
  • Da kommt eine monströse Jakobiner-Behörde, die freiheitsliebenden Bürgerinnen und Bürgern das Leben schwer macht!“
  • Noch heute hören wir hinter vorgehaltener Hand, wir von der Antidiskriminierungsstelle würden „der Wirtschaft Knüppel zwischen die Beine werfen“.

Das ist – mit Verlaub – schlicht Unsinn.

Die ADS hilft Opfern, gegen Diskriminierungen bei Beschäftigung, Beruf und Alltagsgeschäften zumindest indirekt vorzugehen – durch eine juristische Erstberatung. Nicht mehr und nicht weniger. Und eine Klagewelle hat es nie gegeben.

Knüppel werfen wir auch nicht. Im Gegenteil: Wir zeigen der Wirtschaft  auf, dass sich gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels Diversity und Vielfalt für Unternehmen lohnen.

Und wir kämpfen für Gleichbehandlung.

  • Etwa durch unser erfolgreiches Pilotprojekt Anonymisierte Bewerbungsverfahren.
  • Etwa, indem wir gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesagentur für Arbeit  Unternehmen auszeichnen, die vorbildlich gegen Altersdiskriminierung vorgehen.
  • Oder, in dem wir einen Preis wie diesen ausloben.

Denn Diskriminierung ist ein reales Phänomen, mit dem Sie und wir täglich konfrontiert werden. Jeder dritte Einwohner in Deutschland hat sich wegen eines der im AGG genannten Merkmale bereits benachteiligt oder diskriminiert gefühlt.

Wir wollen, dass Diskriminierung und Ungleichbehandlungen aus unserer Gesellschaft verschwinden. Einen Menschen, der dieses Anliegen teilt und verkörpert wie kaum ein anderer, den wollen wir heute ehren: Manfred Bruns.

 

Manfred Bruns

Lieber Manfred Bruns, Sie sind für mich ein würdiger und genau der richtige Preisträger.

Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten mit vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern mehr für die Gleichbehandlung von Lesben und Schwulen gekämpft und erreicht als jeder und jede andere hier im Saal.

Ich will Ihrer Laudatio nicht vorgreifen, sehr geehrte Frau Ministerin, deshalb will ich hier nur kurz auf zwei der wichtigsten Themen verweisen, die Manfred Bruns‘ politisches Wirken geprägt haben.

Zum einen sein Engagement für die Homo-Ehe – steuerliche Gleichstellung inklusive.

Sie, lieber Herr Bruns, haben vielen, vielen Lesben, Schwule und Trans* hochkompetente Rechtsberatung gegeben, zum Beispiel binationalen Paaren vor Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Sie haben selbst erlebt, was Ausgrenzung bedeuten kann. Sie lieben ihre drei Kinder und vier Enkelkinder. Sie haben Ihre homosexuelle Orientierung jahrelang unterdrücken müssen, weil Sie Angst um Ihre bürgerliche Existenz hatten – und davor, Ihre Familie zu verlieren.

Sie sind selbst ein Vorbild. Ein Vorbild für all diejenigen Menschen, die sich trauen, für ihr Recht auf Gleichbehandlung zu streiten.

Und Sie sind ein Vorbild für alle Menschen, die sich in ihrer Sehnsucht nach einem Grundrecht, nämlich der gleichen Behandlung für alle, auch in der Ehe, in Ihnen wiedererkennen.

§ 175

Das zweite große Thema von Manfred Bruns ist der Kampf gegen den so genannten Paragrafen 175. Bis zur Aufhebung des so genannten „Schwulen-Paragrafen“ im Jahr 1994 wurden etwa 100.000 Ermittlungsverfahren gegen Homosexuelle eingeleitet und 50.000 Männer verurteilt. Diese Urteile sind bis heute nicht aufgehoben.

Sie, Manfred Bruns, setzen sich deshalb für die Rehabilitierung der Opfer ein.Mit ermutigenden Erfolgen. Erst gestern hat sich der Rechtsausschuss des Bundesrates für eine Rehabilitierung der Opfer ausgesprochen; eine entsprechende Initiative liegt dem Bundesrat vor.

Auch der Hessische Landtag hat sich für das geschehene Unrecht entschuldigt. Das alles ist ein guter Anfang auf dem Weg zu einer vollständigen Rehabilitierung — und vielleicht auch einer Entschädigung der Opfer.

Lieber Manfred Bruns, kürzlich haben Sie einmal gesagt, sie erwarten, dass die wenigen Unterschiede, die es noch zwischen Ehen und Lebenspartnerschaften gibt, spätestens zur nächsten Bundestagswahl beseitigt sein werden. Erst dann könnten Sie sich wirklich zur Ruhe setzen.

Wenn ich mir die teilweise abstoßende und haarsträubende Debatte der vergangenen Wochen anschaue, dann stelle ich fest: Vielleicht waren Sie da etwas zu optimistisch. Doch ich bin mir ganz sicher, dass Sie eines nahen Tages Recht behalten werden – und Lesben, Schwule und Trans* rechtlich endlich vollkommen gleichgestellt werden. Inklusive der völligen Öffnung der Ehe!

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird dabei immer an Ihrer Seite stehen.

Eine Frau, die das ebenfalls tut und dabei vielleicht noch ein bisschen einflussreicher ist, möchte ich jetzt auf die Bühne bitten.

Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, vielen Dank, dass Sie diese Preisverleihung mit Ihrer Laudatio ehren. Ich übergebe Ihnen das Wort.

 

Christine Lüders

Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Donnerstag, dem 27. September 2012, 19.15 Uhr, Museum für Kommunikation, Berlin

(ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!)

Fotos: Caro Kadatz



Teile diesen Beitrag: