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Im Menschenrechtsrat

High Level Panel zu Menschenrechtsverletzungen aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität in Genf, 7.3.2012.

Gastbeitrag von Ise Bosch (Dreilinden gGmbH)

Ise Bosch im MenschenrechtsratSelten sei dieser Saal so voll und so lebhaft gewesen, hieß es. Unter der sehr bunten Decke des „room XX“ im Palais des Nations in Genf versammelten sich am 7.3. mittags erstaunlich viele BotschafterInnen, Gesandte, Delegationen, Presse, NGOs und Menschenrechtsinstitute. Schon im Vorfeld sei über keine Veranstaltung der 19. Session des Menschen- rechtsrates soviel diskutiert worden wie über diese. Man kam, um den Ausmarsch der VertreterInnen der Länder der Organization of Islamic Cooperation (OIC) zu beobachten – und die, die blieben, hörten den ausgezeichneten Statements der Menschenrechts-Hochkommissarin und der SOGI-ExpertInnen wirklich zu (was dort wohl nicht der Normalfall ist).

Ich war für Dreilinden dabei, weil mich das Auswärtige Amt als Expertin für’s Podium selbst vorgeschlagen hatte, aber dafür wurden dann andere ausgewählt. Sozusagen als Ersatz sprach ich dann „für die deutsche Zivilgesellschaft“ in den (genau gestoppten!) je 2 Minuten, die Deutschland zustanden. Auch das hätte es noch nicht gegeben: dass eine Delegation aus freien Stücken an jemanden aus der Zivilgesellschaft abgibt – chapeau an Sylvia Groneick vom Menschenrechtsreferat.

Trotz einiger Warnungen hatte ich mich entschlossen, meinen Beitrag auf Holocaust-Erinnerungsarbeit zu fokussieren, wie Klaus Jetz vom LSVD mir vorgeschlagen hatte. Warnungen? Dass sich jemand zu Unrecht mit den Nazis verglichen fühlen könnte. Dass das als allzu rückwärtsgewandt erscheint.

Mir ging’s vor allem darum, dass es international gar nicht gut bekannt ist, dass die Nazis Schwule (und trans* und Lesben!) verfolgt haben. Im Gegenteil: Es wird gerne Rassismus gegen Homophobie ausgespielt. Die Delegierte von Mauretanien forderte auch – immerhin im Namen der 56 Länder der OIC! –, dass man doch bitte hier im Menschenrechtsrat die „real problems“ bearbeiten möge, wie zum Beispiel Islamophobie. Die Homosexualität sei „a matter of personal taste“ — das war noch eine der nettesten Beschreibungen.

Nun haben es die Nazis unmissverständlich deutlich gemacht, dass bei ihnen Homophobie eine Form von Rassismus war (was meiner Ansicht nach immer der Fall ist). Schwule, trans* und Lesben waren schlecht für die Nazi-Moral, weil sie sich der Züchtung der „arischen Rasse“ entzogen.

Der Holocaust als ganzes war die wichtigste Motivation zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Aufnahme von SOGI in den Menschenrechtskatalog ist nur schlüssig – auch wenn sie verspätet geschieht.

Ise Bosch im MenschenrechtsratAnbei mein zwei-Minuten-Statement dieses Inhalts. Der Webcast der gesamten Veranstaltung ist hier zu finden. Deutschland ist bei 1:19:15 dran.

Ein sehr viel wichtigeres Ergebnis der Veranstaltung als dieser Beitrag ist sicherlich, dass sie überhaupt stattgefunden hat. Auffallend bezogen sich die SprecherInnen aus dem arabischen Raum in ihren abwehrenden Statements nur auf Homosexualität, nicht auf Geschlechtsidentität. Wie das einzuschätzen ist, ist mir unklar. Hingegen ist sicherlich positiv, dass einzelne afrikanische Delegierte bei Einzelgesprächen beobachtet wurden, in denen sie anscheinend die homophobe Positionierung der „African group“ hinterfragten. Der Sprecher der „African Group“ sagte auch, er repräsentiere „most African states“ – nicht alle.

Dies ist die Art von Bewegung, die gegenwärtig im UN-Menschenrechtsrat entsteht. Südafrika (deren Delegation das Panel eindrucksvoll organisierte und moderierte) hat zugesagt, weiter die Führung übernehmen zu wollen.

Ise Bosch, Dreilinden gGmbH

UN Resolution 17/19



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