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Regenbogenfamilien auf der Zielgeraden? Vom langen Weg und aktuellen Baustellen“

Elke Jansen beim Sommerempfang LSBTIQ Landtag Hessen (c) Hessicher LandtagVortrag von Dr. Elke Jansen (LSVD) auf dem Sommerempfang der LSBT*IQ-Gruppen  im Hessischen Landtag am 06. September 2019 in Wiesbaden 

Herzlichen Dank für die Einladung – es ist mir eine große Freude heute durch meinen Vortrag die Gelegenheit zu erhalten, einige Früchte unserer gemeinsamen Arbeit für die Gleichberechtigung und Anerkennung von Regenbogenfamilien zu würdigen, und vielleicht ein paar Impulse zu geben für unser zukünftiges Engagement und den anschließenden Austausch.

Die Eheöffnung war ein Meilenstein bei der rechtlichen Gleichstellung von Regenbogenfamilien – doch sie macht uns nicht arbeitslos. Es gibt nach wie vor Handlungsbedarf. 

Kinder in Regenbogenfamilien rechtlich absichern

Eine aktuelle Baustelle betrifft die rechtliche Absicherung der Kinder in Regenbogenfamilien:

Während der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter eines Kindes verheiratet ist, automatisch rechtlicher Vater des Kindes wird, auch wenn die beiden eine Samenbank genutzt haben, gilt dies für die Frau, die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, noch lange nicht. Hier braucht es eine Gleichstellung im Abstammungsrecht.

Dafür liegt ein erster Gesetzesentwurf für die geplante Reform des Abstammungsrecht vor. Der LSVD hat diesen als Initiative begrüßt, allerdings auch auf große Schwachstellen im Entwurf hingewiesen.

Eine Problem liegt darin, dass eine neue Ungleichbehandlung geschaffen werden soll diesmal zwischen Paaren, die medizinische Unterstützung in Anspruch nehmen und solchen, die von einem privaten Samenspender unterstützt werden. Vielleicht dadurch motiviert, einen Mann, der über eine Samenspende hinaus AUCH Elternverantwortung übernehmen möchte, mitzudenken & Raum zu geben.

Und natürlich brauchen wir dringend einen rechtlichen Rahmen für solche Mehrelternkonstellationen, doch dies sollte und kann auch nicht wirklich über das Abstammungsrecht geregelt werden.

In seinem Positionspapier “Regenbogenfamilien im Recht” spricht sich der LSVD hier für Elternschaftsvereinbarungen aus, in denen – und da ist wichtig ! — bereits VOR der Zeugung rechtsverbindlich Vereinbarungen getroffen und notariell beurkundet werden können über Rechten und Pflichten im Hinblick auf das gemeinsame Wunschkind.

Dies ist ein gutes Instrument, um die Interessen von werdenden Eltern gleichberechtigt zu berücksichtigen, anstatt neue Ungleichheiten zu schaffen, und ein Gegeneinander von Müttern und Vätern zu befördern.

Und — was mir persönlich sehr am Herzen liegt – gelingt es uns ja, — in naher Zukunft — in unserem Sorgerecht mehr als zwei Sorgeberechtigte zu berücksichtigen, wie das z. B. in Kanada schon erfolgreich praktiziert wird.

Zugang zu Reproduktionsmedizin

Eine weitere Baustelle sind die Zugänge zur Elternschaft: Derzeit wird der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Leistungen durch die Bundesärztekammer bzw. die Landesärztekammern selbst geregelt.

Hier braucht es endlich eine verbindliche Vorgabe durch den Gesetzgeber selbst – in Form eines Reproduktionsmedizingesetz — in dem das Recht auf Zugang zu reproduktionsmedizinischen Leistungen nicht an das Geschlecht und den Familienstand von Wunscheltern gebunden wird – wie es in anderen Europäischen Ländern längst üblich ist.

Dieses Reproduktionsmedizingesetz sollte auch den modernen reproduktionsmedizinischen Möglichkeiten Rechnung tragen., d.h. in dem auch die Möglichkeit zur Eizellenspenden
und zur altruistischen Leihmutterschaft diskutiert und adäquat berücksichtigt werden. Dann gibt es natürlich auch noch die Frage der Kostenerstattung, für die es ebenfalls eine Anpassung braucht.

Familien mit transgeschlechtlichen Eltern

Von einem solchen neues Reproduktionsmedizingesetz könnten auch Familien mit transgeschlechtlichen Eltern profitieren, wenn z. B. trans* Männer vor der Transition Eizellen einfrieren lassen könnten, für den Fall, dass ihre Partnerin später eine entsprechende Spende benötigen würde.

Hier gibt auch derzeit schon einige Möglichkeiten,  die erwachsene trans* Personen im Hinblick auf eine spätere Familienplanung vor einer Transition bedenken und entscheiden sollten. Da fehlt es oft an der frühzeitigen Aufklärung über ihre reproduktiven Rechte und Möglichkeiten. Diese Aufklärung sollte verpflichtend sein und zur Routine gehören.

Bei Familien mit transgeschlechtlichen Eltern haben wir rechtlich auch noch die wirklich ärgerliche Baustelle der Geburtsurkunde. Dort werden trans* Eltern nach der Geburt ihres Kindes nach wie vor mit ihrem früheren Geschlechtseintrag eingetragen. Sie können nicht selbst bestimmen, ob sie in der Geburtsurkunde ihres Kindes mit ihrem aktuellen Geschlechtseintrag stehen.

Gesellschaftliche Anerkennung von Regenbogenfamilien und Regenbogenkompetenz

Werfen wir nun nach den rechtlichen Aspekten noch einen Blick auf die gesellschaftliche Anerkennung von Regenbogenfamilien. Wenn wir uns noch einmal an den Zahlenstrahl der rechtlichen Veränderungen erinnern, dann haben wir in den vergangen Jahrzehnten wirklich viel erreicht. Das macht mich sehr glücklich. 

Doch anscheinend gehen bei der Offenheit und Annahme gleichgeschlechtlicher Lebensweisen und geschlechtlicher Vielfalt Kopf und Herz oder vielleicht auch Bauch nicht immer Hand in Hand:

So gaben 40 % derselben Befragten an, dass es ihnen irgendwie doch unangenehm wäre, wenn das eigene Kind lesbisch oder schwul wäre. Hier braucht es Raum und Impulse zur Bewusstseinsbildung, die speziell emotionale Aspekte thematisiert und berücksichtigt, wie vielleicht Scham, Sorgen oder auch Unsicherheiten, im Hinblick auf die Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identitäten.

Eine solche Reflexion eigener Gefühle, Vorurteile und Werte in Bezug auf Regenbogenfamilien fördert – speziell bei Fachkräften – die Selbstkompetenz, einen zentralen Baustein der sogenannten Regenbogenkompetenz.

Regenbogenkompetenz bezeichnet die „Fähigkeit einer Fachkraft mit dem Thema sexuelle Identität professionell und möglichst diskriminierungsfrei umzugehen.“

Dazu gehört es nicht nur die Vielfalt sexueller Identitäten und Liebes- und Lebensformen mitzudenken, sondern in ihrem fachlichen Handeln sichtbar zu berücksichtigen.

Das brauchen Regenbogenfamilien, um in familiennahmen Institutionen gut begleitet zu werden und damit — speziell die Kinder — sich mit ihrer eigenen Familienform dort wiederfinden und angenommen fühlen können.

Und hierzu gehören eine Fülle von Lebensbereichen und Institutionen, etwa die Familien- und Erziehungsberatung. Der LSVD engagiert sich hier gezielt mit dem Projekt „Beratungskompetenz zu Regenbogenfamilien“. Wir haben das Trainingsprogramm entwickelt „Sind nicht alle Familien bunt!“,  das wir bundesweit als Fortbildung anbieten. So auch – zu meiner Freude – in Hessen, z. B. in drei Wochen in Marburg.

Hinzu kommt ein bunter Strauß an Bereichen und Institutionen. Hier liegt mir neben der Schule – speziell die Kita am Herzen. Denn sich wiederzufinden mit dem Eigenen und vertraut zu machen mit dem Fremden wird umso mehr Vielfaltskompetenz fördern, je früher wir dem Raum geben.

Doch auch Institutionen, Behörden und Fachkräfte im Bereich Jugendarbeit, Sport, Pflege oder Medizin brauchen Regenbogenkompetenz.

Ich habe hier sehr bewusst auch die Seniorenbetreuung herausgestellt und dies nicht nur im Hinblick auf uns selbst mit zunehmendem Alter (das sich an manchen Tagen nachdrücklich in Erinnerung bringt, zumindest bei mir). Die Regenbogenkompetenz des Seniorenheims, in dem z. B. meine Mutter im vergangenen Jahr in Bonn gelebt hat, hat wesentlich dazu beigetragen, dass meine Frau und ich sie dort gut begleiten konnten.

Apropos Vielfaltskompetenz. Gerade in Zeiten rechtspopulistischer Strömungen braucht es unser aller Engagement für die Wertschätzung von Vielfalt und Wertschöpfung durch Vielfalt. Und hierzu habe ich abschließend einen kleinen Spot mitgebracht, der wunderbar berührt und  zur Bewusstseinsbildung eingesetzt werden kann.

(Es gilt das gesprochene Wort)



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