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Wird 2012 das Jahr der Gleichstellung im Einkommensteuerrecht?

Zur Bedeutung des Urteils des Finanzgerichtes Köln

 

Die Pressemeldungen über die neue Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 07.12.2011 (4 V 2831/11) haben für Verwirrung gesorgt. Deshalb dazu einige Klarstellungen:
Das Bundesverfassungs-gericht hat die Bundesregierung im Juli 2010 verurteilt, Lebenspartner im Erbschaftsteuerrecht mit Ehegatten gleichzustellen und zwar auch in den noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Altfällen ab Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahre 2001. Was das Bundesverfassungsgericht damals zum Erbschaftssteuerrecht ausgeführt hatte, lässt sich ohne weiteres auf das Einkommensteuerrecht übertragen.

Trotzdem weigert sich die Koalition, Lebenspartner auch im Einkommensteuerrecht mit Ehegatten gleichzustellen. Sie will im Einkommensteuerrecht erst tätig werden, wenn sie dazu ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht verurteilt wird. Für diesen Fall hat die FDP der CDU die Zusage „abgetrotzt“, dass die CDU ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts respektieren und  befolgen wird.

Die Verfassungsbeschwerden zum Einkommensteuerrecht sind beim Bundesverfassungsgericht seit 2006 anhängig. Wann das Bundesverfassungsgericht über sie entscheiden wird, ist offen. Die letzte Auskunft von November 2011 lautete, dass „mit einer Entscheidung in naher Zukunft nicht zu rechnen“ ist.

Da Altfälle von den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts nur erfasst werden, wenn sie noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, sollten alle Lebenspartner mit unterschiedlichem Einkommen jedes Jahr bei der Einkommensteuererklärung  Zusammenveranlagung beantragen und gegen die Ablehnung Einspruch einlegen. Das Finanzamt wird die Einspruchverfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die dort anhängigen einschlägigen Verfassungsbeschwerden zum Ruhen bringen. Das genügt.

Falls sich Verfahren länger hinziehen, sehen die Verfahrensordnungen vor, dass die Gerichte den Streitfall bis zu endgültigen Entscheidung vorläufig regeln können. Das ist auch im Einkommensteuerrecht möglich.

Wenn das Finanzamt den Antrag auf Zusammenveranlagung ablehnt und die Einkommensteuerveranlagung als Lediger auf eine Nachforderung lautet, können die Betroffenen Aussetzung der Vollziehung der Nachforderung beantragen. Sie brauchen dann vorerst nichts zu bezahlen. Wenn dagegen die Einkommensteuerveranlagung als Lediger mit einer Erstattung endet, haben Anträge auf Aussetzung der Vollziehung keine Aussicht auf Erfolg.

Wenn die Lebenspartner sehr unterschiedliche Einkommen haben, kann es sich auch lohnen, die Änderung ihrer Steuerklassen von I / I in III / V zu beantragen und gegen die Ablehnung der Änderung einen Aussetzungsantrag zu stellen.
Da die Gleichstellung im Einkommensteuerrecht von der Koalition und dem Bundesverfassungsgericht auf unabsehbare Zeit  verschleppt wird, stellen immer mehr Betroffene solche Aussetzungsanträge.

Über die Behandlung dieser Aussetzungsanträge tobt zurzeit ein heftiger Streit unter den Finanzgerichten. Beim Finanzgericht Baden-Württemberg z.B. entscheiden der 3. und der 9. Senat für uns, der 4., der 10. und der 12. Senat gegen uns. Kein Senat sagt in seinen Entscheidungen etwas zur abweichenden Meinung der Nachbarsenate.

Aber die positiven Entscheidungen nehmen zu. Wir haben den Eindruck, dass die Stimmung bei den Finanzgerichten langsam kippt. Die neue Entscheidung des Finanzgerichts Köln ist kein Einzelfall.

Wir würden es deshalb begrüßen, wenn möglichst viele Betroffene bei den Finanzgerichten Aussetzungsanträge stellen. Wir unterstützen Euch dabei so, dass – außer der Zeit und der Aufregung – nur die Gerichtskosten anfallen, wenn Euer Aussetzungsantrag abgelehnt wird. Die Gerichtskosten bewegen sich dann in der Regel zwischen 50,00 € und 100,00 €.

Wenn genug Finanzgerichte „umgefallen“ sind, können wir Druck auf die Politik machen und sie auffordern, diese unsinnige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme endlich zu beenden.

Die Finanzämter pflegen zwar meistens gegen positive Aussetzungsbeschlüsse Beschwerde zum Bundesfinanzhof einzulegen. Aber diese Beschwerden haben keine aufschiebende Wirkung. Es bleibt deshalb zunächst bei der bewilligten Aussetzung der Nachforderung und den geänderten Steuerklassen.

Beim zuständigen Senat des Bundesfinanzhofs bleiben die Sachen liegen, weil dieser auf keinen Fall zu Gunsten von Lesben und Schwule entscheiden will. Auch von daher ist es wichtig, dass möglichst viele Finanzgerichte auf unserer Seite sind. Dann wird dem Bundesfinanzhof eine negative Entscheidung noch schwerer fallen.

Weitere Informationen und „Mustertexte“, die ständig aktualisiert werden, findet Ihr auf unserer Webseite http://www.lsvd.de/903.0.html unter „Einkommensteuer“, Aussetzung der Vollziehung“ und „Lohnsteuerklassen“.

 

Manfred Bruns, LSVD-Bundesvorstand und Renate Rampf  (LSVD-Pressesprecherin)



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