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Regenbogenfamilien im Recht

Der LSVD beschließt auf dem Verbandstag 2017 nach langer Diskussion Positionspapier zum Reformbedarf im Familienrecht

Regenbogenfamilien - Grafik: LSVDDer LSVD hat auf den letzten drei Verbandstagen intensiv und engagiert über das Thema Regenbogenfamilien diskutiert und sich im Rahmen von Arbeitsgruppen, Workshops und einem Online-Beteiligungsverfahren mit den verschiedenen Positionen auseinandergesetzt. Im April 2017 wurde auf dem Verbandstag in Berlin ein umfassendes Positionspapier verabschiedet, das allen LSBT*IQ Familienformen Rechnung trägt, Reformbedarfe benennt und auch zu Zukunftsfragen Stellung bezieht.

Bewusste Familienplanung gehört heute zum Lebensentwurf vieler Lesben, Schwuler, Bisexueller und Trans*Personen. Nach repräsentativen Umfragen haben gut 36% der schwulen Männer und gut 41% der lesbischen Frauen einen Kinderwunsch, den sie oft mit viel Kreativität und häufig auch gegen Widerstände verwirklichen.

Öffnung der Ehe und gemeinsames Adoptionsrecht

Deshalb bedarf es rechtlicher Gleichstellung und der Weiterentwicklung des Familienrechts. Inzwischen gibt es mit der Eheöffnung auch das gemeinsame Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare.

Der LSVD hat für Regenbogenfamilien in den vergangenen Jahren zunehmende Anerkennung erkämpfen können, doch noch immer stoßen sie im Alltag auf Ignoranz oder Vorbehalte. Das Ziel ist eine Gesellschaft, in der Regenbogenfamilien in ihren vielfältigen Konstellationen als selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Normalität respektiert und anerkannt werden.

 

Zwei-Mütter-Familien

Die größte Zahl der Regenbogenfamilien macht die Zwei-Mütter-Familie aus; diese Familienform ist noch immer bestimmt durch das Erfordernis der Stiefkindadoption. Die Lebenspartnerin der leiblichen Mutter erlangt ihre rechtliche Elternstellung nicht mit der Geburt des Kindes, sondern erst durch das langwierige und oft entwürdigende Verfahren der Stiefkindadoption. Wenn die Kinder von Lebenspartnerinnen als Wunschkinder in deren Partnerschaften hineingeboren werden, müssen beide Mütter endlich von Geburt an gleichberechtigte rechtliche Eltern ihres Kindes sein können.
Der LSVD fordert daher: Entschließen sich zwei Frauen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, gemeinsam eine Familie zu gründen, so sollen die Gebärende und ihre Lebenspartnerin von Geburt an automatisch rechtliche Eltern
des Kindes sein.

Lebt das Paar nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft,
so soll — analog der Vaterschaftsanerkennung und Sorge­rechtserklärung bei verschiedengeschlechtlichen Paaren — auch für Zwei-Mütter-Familien eine entsprechende Regelung für den Fall geschaffen werden, dass eine Einverständniserklärung des biologischen Vaters vorliegt. Wurde die Frau mit Hilfe einer Spermienspende im Rahmen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung schwanger, so soll das Einverständnis des Spenders als gegeben gelten.

 

Zwei-Väter-Ursprungsfamilie

Wie bei Mehreltern-Familien sollen Elternschaftsvereinbarungen vor der Zeugung auch dann rechtsverbindlich sein, wenn der Vater und sein Lebenspartner die rechtlichen Eltern werden sollen und die leibliche Mutter auf die Verwandtschaftsbeziehung zum Kind verzichtet. In diesem Fall soll der Lebenspartner des leiblichen Vaters von Geburt an rechtlicher Vater sein können, ohne dass es einer Stiefkindadoption bedarf.

Es braucht klare Regelungen für Kinder, die aus ausländischen Leihmutterschaften mit deutschen Vätern hervorgehen, damit den Kindern keine rechtlichen Nachteile entstehen. Rechtspolitisch steht das derzeitige Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland im Spannungsfeld zwischen dem Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper einerseits und andererseits dem Ziel, einer Kommerzialisierung des Körpers entgegenzutreten. Tatsächlich führt das Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland zu einem Leihmutterschaft-Tourismus. Mit dem Totalverbot nimmt sich Deutschland zudem die Möglichkeit, Einfluss auf Rahmenbedingungen in Europa zu nehmen.

Der LSVD spricht sich für die Zulassung der altrui­stischen Leihmutterschaft und für die Möglichkeit aus, die Rahmenbedingungen in einer Kinderwunschvereinbarung rechtsverbindlich zu regeln.
Mehreltern-Familien und Elternschaftsvereinbarung

In Mehreltern-Regenbogenfamilien sind es bis zu vier Personen, die sich schon vor der Zeugung bereit erklären, gemeinsam Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Sie schaffen damit den Rahmen für die Entstehung und das Aufwachsen eines Kindes. Es liegt in dessen Wohl, diese Personen auch an die übernommene Verantwortung zu binden und für alle Elternteile einen verbindlichen rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem sie der übernommenen Verantwortung gerecht werden können. Dies ist nach dem geltenden Familienrecht nicht möglich.

Die derzeitige Situation, in der entweder der leibliche Vater und dessen Partner oder die Partnerin der leiblichen Mutter nahezu rechtlos gestellt werden müssen, erschwert die Gründung von Regenbogenfamilien und kann in bestehenden Regenbogenfamilien mit mehr als zwei sozialen Elternteilen zu Konflikten und Kompetenzstreitigkeiten führen.

Der LSVD fordert deshalb, dass ein Rechtsrahmen geschaffen wird, der es den Beteiligten einer Regenbogenfamilie ermöglicht, rechtsverbindliche Vereinbarungen vor der Zeugung zu treffen.

 

Pflegefamilien

In Deutschland leben mehrere zehntausend Kinder, welche nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können. Diese Kinder haben die Möglichkeit in einer Pflegefamilie aufzuwachsen. Das kann eine temporäre Lösung sein, aber oftmals ist dieses eine dauerhafte Lösung. Unabhängig von Familienstand und sexueller Orientierung bzw. Identität bieten Menschen diesen Pflegekindern eine stabile, verlässliche, strukturierte und reflektierte Umgebung. Bei der Suche nach Pflegefamilien sollen gleichgeschlechtliche Paare berücksichtigt werden. Das geschieht heute bei vielen Jugendämtern. Es gibt aber noch immer Jugendämter, die gleichgeschlechtliche Pflegeeltern ablehnen oder ihnen mit Vorurteilen begegnen.

Der LSVD wird sich deshalb dafür einsetzen, dass Pflegepersonen und Pflegefamilien unabhängig von Familienstand und sexueller Orientierung bzw. geschlechtlicher Identität in Betracht gezogen werden.
Trans*- und intergeschlechtliche Elternschaft

Für trans*- und intergeschlechtliche Eltern besteht Reformbedarf bzgl. der Vorschriften zur Klärung der abstammungsrechtlichen Elternschaft. Personen mit einer personenstandsrechtlichen Änderung nach dem Transsexuellengesetz (TSG), die nach der verfassungsgerichtlichen Aufhebung des Sterilisationsgebots nunmehr Kinder gebären oder zeugen können, werden ebenfalls nicht angemessen erfasst.

Grundlage der Reform der rechtlichen Regelungen für trans*- und intergeschlechtliche Menschen muss die Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts der betroffenen Menschen in jeder Lebenssituation sein.

Der LSVD fordert deshalb, dass Deutschland die Antragslösung übernimmt und für die Änderung des Vornamens und des rechtlichen Geschlechts der bloße Antrag der Betroffenen beim Standesamt ausreicht.

Das Positionspapier widmet sich darüber hinaus den Fragen des gleichberechtigten Zugangs zu Assistierter Reproduktion, zu Eizellspende und zu Embryospende/-adoption und fordert, dass diesbezügliche Fragen grundsätzlich unabhängig von Familien­stand und sexueller Orientierung bzw. geschlechtlicher Identität geregelt werden.

Der LSVD wird sich auf der Grundlage des nunmehr verabschiedeten Positionspapiers in die nationale und internationale bereits intensiv geführte Reformdiskussion zum Familienrecht aktiv einmischen.

Gabriela Lünsmann, LSVD-Bundesvorstand

  • Die vollständige Fassung des LSVD Positionspapiers zu Regenbogenfamilien im Recht hier zu finden


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