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Sollen sie doch klagen

Soll man Lesben und Schwule gleichstellen? „Ja“ sagen die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und liefern dafür Zustimmungsraten, von denen Volksparteien nur träumen können. Wenn doch auch die Antwort der Bundesregierung so eindeutig wäre! Dort hingegen wird verzögert, verwässert oder verweigert. Und für all das muss immer wieder die Verfassung herhalten. Diese, so heißt es aus der Union, lasse nicht so viel Gleichstellung zu. Dass das Unsinn ist, hat das Bundesverfassungsgericht in einer Reihe von Grundsatzurteilen deutlich gemacht: Von der Erlaubnis zur Gleichstellung über das Verbot der Diskriminierung von Lebens- partnerschaften bis hin zur Begründung gleichgeschlechtlicher Ehen für Transsexuelle. Das Vorhaben der Bundesregierung „gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht“ abzubauen war insofern schlüssig und erfreulich. Dennoch passiert gerade im Einkommensteuerrecht gar nichts. Stattdessen wartet man in der Regierung nun auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Wenn die Entscheidung denn da ist, werde die Entscheidung „eins zu eins“ und ohne Verzögerungen umgesetzt, so FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler. Die FDP habe das mit der Union so vereinbart.

Wer in einer Regierung mit der CDU/CSU sitzt, muss offenbar schon die Umsetzung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verhandlungsmasse machen. Selbst der Vizekanzler wird so gezwungen zuzugeben, dass die Legislative im Felde der rechtlichen Gleichstellung ihren primären Auftrag, nämlich Gesetze zu machen, an die Gerichte abgeben muss. Traut man sich nicht? Oder weiß die Regierung nicht, was die Verfassung erlaubt?

Um solche Unsicherheiten und Ausflüchte zu beenden, fordert der LSVD von der Politik, für eine klare Positionierung im Grundgesetz zu sorgen. Es ist uns gelungen ein breites Bündnis für die Ergänzung des Diskriminierungsverbotes um das Merkmal sexuelle Identität in Artikel 3, Absatz 3 GG zu gewinnen. Aber auf Bundesebene blockiert die Koalition in dieser Hinsicht, man könnte meinen, sie wollten nicht noch die letzte Ausrede verlieren.

Im Saarland hingegen hat die Regierungskoalition aus CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen die Forderung des LSVD aufgegriffen und das Diskriminierungsverbot in der Verfassung verankert. Auch SPD und Linke stimmten zu. Nach dem Vorbild dieses parteiübergreifenden Konsenses hat der LSVD auch in Niedersachsen eine Gesetzesinitiative angeregt. Aber Union und FDP zeigen bislang kaum Bereitschaft, die Verfassung für Lesben, Schwule und Transgender stark zu machen. Die CDU meint, mit der Gleichstellung der Lebenspartnerschaft im Landesrecht habe man „bereits ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung wegen der sexuellen Identität gesetzt.“ Nicht gerade eine ermunternde Stellungnahme, angesichts der Tatsache, dass Niedersachsen die vom Verfassungsgericht geforderte Rückwirkung im Beamtenrecht ignoriert hat. Auch die FDP sieht kein Diskriminierungsproblem, die rechtliche Gleichstellung von Menschen sei gewährleistet. Von dort kommt die Empfehlung „Jedem, der sich wegen seiner sexuellen Orientierung vom Staat benachteiligt sieht, kann hiergegen den Rechtsweg beschreiten.“ Wem es nicht passt, der muss eben klagen.

Adoptionsrecht, Einkommensteuerrecht, Rürup-Rente und Familienzuschlag, etwa zehn Verfahren zur Gleichstellung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften sind beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Der LSVD ist immer dabei. Es sind Mitglieder des LSVD, deren Klagen die Frage zum Einkommensteuerrecht entscheiden werden. Ihre Verfahren, die seit vielen Jahren laufen, werden von Anwältinnen und Anwälten wie Maria Sabine Augstein und Dirk Siegfried betreut, die dem LSVD eng verbunden sind. Manfred Bruns vom Bundesvorstand schreibt unzählige Gutachten. Mut, gute Argumente, Beharrlichkeit – hier sind sie zu finden.

Sollte auch 2012 weiterhin in Regierungskoalitionen gezaudert und verweigert werden, wird es Frauen und Männern vom LSVD zu verdanken sein, wenn es dennoch voran geht.

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Renate Rampf, LSVD-Pressesprecherin



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