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Es gibt Zeiten, in denen wir uns engagieren müssen, für das, was richtig ist. Und für die LGBT-Rechte zu kämpfen, ist das Richtige!“

IMG-20160730-WA0000Rede der slowenischen Botschafterin I. E. Marta Kos Marko zum Auftakt des Würzburger CSD

Als Festrednerin beim politischen Auftakt des Würzburger CSD sprach die slowenische Botschafterin I.E. Marta Kos Marko als Festrednerin. In ihrer Rede betont sie, dass es nicht nur um den Kampf der Rechte für eine gesellschaftliche Minderheit geht, sondern um die Einhaltung und Gewährung von Menschenrechten. Sie verwies darauf, wie wichtig auch hier das Zusammenwirken von Europa als Wertegemeinschaft ist. Hier die Dokumentation der eindrucksvollen Rede :

Warum ist es wichtiger denn je, sich für die LGBTI-Rechte einzusetzen und dafür zu kämpfen? Wie können wir und Sie dazu beitragen, das Verhalten gegenüber der LGBT-Gemeinschaft zu ändern?

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Christian Schuchardt,
lieber Würzburger und Freund Sloweniens Axel Hochrein,
sehr geehrte Damen und Herren,

es ist eine große Ehre für mich, heute Abend in dieser wunderbaren Gesellschaft zu sein und über das Thema, das in den letzten Jahren zu meinem Schwerpunkt geworden ist, zu sprechen. 

Seit fast drei Jahren arbeite ich in Berlin, die Stadt gilt als groß, offen und liberal. Berlin hat viele Gemeinsamkeiten mit unserer Hauptstadt Ljubljana. Ok, die Tatsache, dass Ljubljana mit seinen rund 300.000 Einwohnern ein bisschen kleiner ist und mein ganzes Land Slowenien nur halb so viele Einwohner wie Berlin hat, müssen wir hier außer Acht lassen…Wenn es aber um die LGBTI- Rechte geht, dann sehen wir viele Gemeinsamkeiten.

Die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender- und Intersexuellen-Personen (LGBTI) sind beides, Bürger–  und Menschenrechte. Das Thema LGBT-Rechte umfasst viele verschiedene Aspekte von Rechten, angefangen von der Frage, ob Homosexualität strafbar sein sollte, bis hin zu der rechtlichen Anerkennung der Lebenspartnerschaft und der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Im 21. Jahrhundert stehen wir vor einem neuen Verständnis der LGBT-Gemeinschaft, das “Neue Normalität” heißt. Aber der rechtliche und soziale Status von LGBT-Menschen variiert von Ort zu Ort und  bleibt immer noch in vielen politischen und religiösen Debatten umkämpft. In vielen Ländern kann man leider beobachten, wie die Ansichten über die LGBTI-Gemeinschaft jedes Jahr immer radikaler werden und die Rechte der LGBTI-Menschen immer brutaler verletzt werden. Die Mitglieder der sexuellen Minderheiten werden in mehr als 75 Ländern immer noch  strafrechtlich verfolgt. Häufig gibt es lange Haftstrafen und in sieben Ländern in Afrika und der arabischen Welt droht sogar die Todesstrafe. Heute ist das nichts anderes als skandalös und beschämend!

Im Jahr 2011 fasste der UN-Menschenrechtsrat die Resolution zur Beendigung der staatlichen Diskriminierung sexueller Minderheiten. Die Erkennung war auch global gesehen ein wichtiger Schritt bei der Gewährung der Rechte. Insgesamt 96 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, darunter Slowenien, unterstützten die Resolution. Die EU-Grundrechtecharta verbietet Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung. Transgender-Personen werden laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs durch die Grundrechtecharta vor Diskriminierung wegen ihres „Geschlechts“ geschützt. Obwohl noch viel für die Gleichstellung von Homosexuellen und Heterosexuellen getan werden kann, gibt es einige Länder, die in den letzten Jahren durch ihren liberalen und nicht diskriminierenden Ansatz zu diesen Fragen ein leuchtendes Beispiel für die Anderen gesetzt haben.

Dänemark ist ein lebender Beweis dafür, dass ein Land auch die hohen Prioritäten für LGBT-Rechte setzen und trotzdem immer noch perfekt funktionieren kann. Wir sehen hier keinen Zusammenbruch der moralischen Werte oder eine Bedrohung der Ausrottung einer Nation. Das dänische Parlament hat 2010 den gemeinsamen Antrag für Adoption der Kinder der Homosexuellen, die in ziviler Lebenspartnerschaft leben, erlaubt. Dieser Beschluss wurde befasst, obwohl Dänemark einer der Unterzeichner der UN-Konvention über die Rechte des Kindes ist.

In Europa haben 14 Staaten, darunter auch Slowenien, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Ich bin stolz darauf, und das möchte ich hier auch gerne hervorheben, dass Slowenien das erste östliche oder ex-kommunistische europäische Land war, das ein Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe angenommen hat. Im März 2015 hat das slowenische Parlament dieses Gesetz verabschiedet. Es hatte nur ein einziges Ziel, nämlich die verfassungswidrige und systematische Diskriminierung zu beseitigen, die nach dem früheren juristischen System möglich war. Diese Diskriminierung hat gegen Artikel 14 der slowenischen Verfassung verstoßen, die gleiche Menschenrechte und Freiheiten für alle Bürgerinnen und Bürger garantiert — unabhängig von ihrer persönlichen Situation (und die sexuelle Ausrichtung gehört auf jeden Fall dazu).

Das war aber noch nicht das Ende der Geschichte.

Nachdem das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe in unserem Parlament verabschiedet worden war, kam es zu einer großen Kampagne gegen das Gesetz. Im Dezember letzten Jahres gab es ein Referendum und die Gegner der 100-prozentiger Gleichheit haben gewonnen. Das Gesetz wurde gekippt. Viele haben damals geweint und konnten es gar nicht glauben.

Aber wir haben dennoch nicht aufgegeben. Unser Parlament hat im April dieses Jahres ein neues Gesetz, das s.g. Partnerschaftsgesetz verabschiedet, das im Februar 2017 in Kraft treten wird. Das Partnerschaftsgesetz gibt den homosexuellen Paaren dieselben Rechte wie heterosexuellen außer in zwei Punkten – Adoption und künstliche Befruchtung. Und es ist eben ein Partnerschaftsgesetz, kein Gesetz über die gleichgeschlechtliche Ehe. Die Thematik der Adoption war auch der Hauptgrund für das erfolgreiche Referendum im Dezember. Ungeachtet der Tatsache, dass es keine wissenschaftlichen Beweise gibt, dass Kinder, die in gleichgeschlechtlichen  Familien aufgewachsen,  auf irgendeine Weise benachteiligt werden! Im Gegenteil — sie können sich sogar besser entwickeln als Kinder in heterosexuellen Familien, vor allem in Familien wo man sich oft streitet und schlägt oder wo die Kinder geschlagen werden!

So haben wir in Slowenien eine interessante Situation, wo die Politiker weiter sind als das Volk. Die Politik hat nämlich schon zwei Mal versucht, die 100-prozentige Gleichheit der Homosexuellen zu schaffen. Bereits im Jahr 2012 haben wir ein Referendum diesbezüglich verloren. Die Entwicklungsprozesse unterscheiden sich eben von Land zu Land.

In einigen Ländern wurde die Verbesserung der LGBTI-Rechte in den letzten Jahren durch das Verfassungsgericht und nicht durch die Politik beschlossen, die manchmal eher konservative Ziele anstrebt. Auf der anderen Seite hat die Gleichstellungspolitik nichts mit konservativer Politik zu tun, zudem kann auch die konservative Politik um eine gleichgeschlechtliche Ehe kämpfen! Ein Beispiel  hierfür ist der ehemalige Premierminister von Großbritannien, David Cameron. Es ist sicherlich richtig, dass die Einführung der gleichgeschlechtlichen Zivilehe viel darüber sagt, im welchen Land wir wohnen. Herr Cameron hat mal stolz gesagt: “Es heißt, wir sind ein Land, das auch weiterhin seine stolzen Traditionen des Respekts, der Toleranz und der Gleichheit ehren wird. Es ist eine starke Botschaft für junge Menschen, die über ihre Sexualität unsicher sind. Es sagt deutlich “Sie sind gleich, egal ob “Straight” oder Homosexuell.”

Zu den politischen Blockaden gesellen sich häufig auch einige religiöse Fanatiker,  “besorgte Eltern”, politische Parteien und Teile der Medien, die versuchen, die Selbstbestimmung von LGBTI-Menschen zu verhindern. Deshalb ist es so wichtig, ein Zeichen dagegen zu setzen. Weil in diesem Zusammenhang den LGBTI-Menschen nicht nur gleiche Rechte verweigert werden, sondern auch ihre Menschenwürde verletzt wird. Es ist sicherlich nicht genug, dass die grundlegenden europäischen oder menschlichen Werte wie Gleichheit, Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Minderheitenschutz nur auf dem Papier existieren. Sie müssen in unserem täglichen Leben aufrechterhalten und verteidigt werden. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass nicht nur die Toleranz, sondern auch die Akzeptanz gegenüber Minderheiten kein großzügiges Geschenk ist, sondern eine nicht verhandelbare Grundlage unseres Zusammenlebens in Europa.

Die Zweiklassengesellschaft in der Ehe und im Familienleben muss beendet werden. Die Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen ist nicht weniger wert als die Liebe zwischen Mann und Frau. Deswegen brauchen wir nicht zwei Gesetze für die gleiche Sache.

Und was wir noch benötigen sind unermüdliche Kämpfer. So wie zum Beispiel der Bürgermeister von unserer Hauptstadt Ljubljana, Zoran Janković. Es stimmt, dass Ljubljana schon immer liberal war – schon damals im Jahr 1984, in der alten kommunistischen Zeit in Jugoslawien, wurde in der Stadt das älteste schwule Filmfestival gegründet. Seit 15 Jahren gibt es in der Stadt die “Pride Parade” — ohne Ausschreitungen. Aber mit dem Engagement des jetzigen Bürgermeisters ist die Stadt im LGBTI-Sinne aufgeblüht! Die Stadt finanziert unterschiedliche LGBTI-Programme, gibt Räumlichkeiten für ein schwul-lesbisches Lokal, ist immer dabei bei der Pride Parade und vergibt, zusammen mit den NGO’s  auch das Zertifikat “LGBTI Friendly” — für die die privaten und öffentlichen Institutionen, wenn sie nachweisen können, dass sie eine entsprechende Schulung gemacht haben, dass sie die Einstellung von LGBTI-Menschen befürworten und insgesamt für die Sensibilisierung von LGBTI-Themen sorgen. Zusammen mit sechs deutschen Städten (Berlin, Köln, Hamburg, Hannover, Mannheim und München) ist Ljubljana auch ein Mitglied im Netzwerk “Rainbow Cities Network”. Für das  LGBTI-Engagement hat unsere Hauptstadt im Jahr 2015 das EPSA Award bekommen – European Public Sector Award – für die Best Practices auf dem Gebiet der LGBTI-Rechte.

Warum brauchen den Austausch von “Best Practice”?

Die EU-Grundrechte-Agentur hat im Jahr 2015 eine große Umfrage unter 93.000 Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender — Menschen in den 28 EU-Mitgliedstaaten durchgeführt. Über die Ergebnisse können wir uns nicht freuen. Die Umfrage zeigt, dass viele von ihnen immer noch unter der Diskriminierung und sogar körperlicher Gewalt leiden. Darüber hinaus verbergen viele Paare ihre Identität oder entscheiden sich in Isolation zu leben. Es ist deprimierend, dass 66 % der Befragten sich nicht trauen, mit ihren gleichgeschlechtlichen Partnern in der Öffentlichkeit Händchen zu halten.

Ironischerweise halten sich einige für große Befürworter der Menschenrechte und der Achtung der Freiheit, Gleichheit und Nichtdiskriminierung. Viele vergessen dabei aber, dass diese Rechte für alle Menschen gelten, vor allem für diejenigen, die anders sind oder sogar noch liberaler sind. Dennoch scheint es, dass die Präferenzen und Bedürfnisse einer Person, deren persönliche Umstände und Überzeugungen sich von der Mehrheit unterscheiden, nicht mehr als Rechte betrachtet werden, wenn sie im Widerspruch dazu stehen, das für die Gesellschaft als Ganzes akzeptabel ist.

Deshalb darf man nicht alles hinnehmen und darauf warten, ob etwas passiert, ob vielleicht die anderen etwas unternehmen werden. Es gibt Zeiten, in denen wir uns engagieren müssen, für das, was richtig ist. Und für die LGBT-Rechte zu kämpfen, ist das Richtige!

Das hat unsere Botschaft in Berlin zuletzt am 23. Juli beim Christopher Street Day gezeigt, wo wir bereits zum zweiten Mal mit eigenem Wagen aufgetreten sind. Kein anderes ehemaliges kommunistisches Land hat das jemals gemacht. Wir sind sehr stolz darauf, dass auf dem Wagen viele Slowenen waren, die nur deshalb aus Slowenien angereist kamen. Besonders erfreut waren wir auch darüber, dass wir zahlreiche Gäste aus der deutschen Politik und Nichtregierungsorganisationen dabei hatten.

Dafür haben wir viel Lob geerntet, gleichzeitig haben wir aber auch Kritik einstecken müssen, das wir in diesen ungewissen Zeiten, die vom Terrorismus, Brexit und der großen Arbeitslosigkeit in einigen Teilen Europas gekennzeichnet sind, vielleicht doch was anderes tun könnten, als bei dem CSD teilzunehmen.

Wie könnte unsere Antwort lauten?

Wissen sie, auf dem Weg zur Arbeit fahre ich täglich am Justizministerium vorbei. An der großen Wand sieht man folgende Aufschrift “Wenn es sich um Wahrheit und Gerechtigkeit handelt, gibt es nicht die Unterscheidung zwischen kleinen und großen Problemen.”

Albert Einstein wusste es schon damals!“



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