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Wenn niemand zurückgelassen werden soll …

Konferenz in MontevideoKonferenz in Montevideo: LSBTI in den UN-Nachhaltigkeitszielen

Schon im Vorfeld der globalen LSBTI-Menschenrechtskonferenz “Non violence, non discrimination and social inclusion” in Montevideo hatten sich vier Arbeitsgruppen gebildet, um die Konferenzthemen vorzubereiten. Sie bestanden aus jeweils zehn Vertreter_innen der Regierungen und der Zivilgesellschaft. Die Themen waren internationale und regionale Diplomatie, Koordination von Unterstützung und Abstimmung der Geberländer und privater Stiftungen, Gesetzgebung und Einschränkung der Handlungsspielräume für die Zivilgesellschaft sowie UN-Nachhaltigkeitsziele und LSBTI-Inklusion, die Arbeitsgruppe, in der ich mich engagierte.

Im Vorfeld hatte die Regierung Uruguays ein Konzeptpapier vorgelegt, das in der Arbeitsgruppe und während der Konferenz diskutiert, abgeändert und ergänzt wurde. Die aktualisierte Endfassung mit selbst gesteckten Zielen liegt vor. Die Diskussionen zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitszielen drehten sich auch um die Frage, wie es gelingen kann, LSBTI-Themen in allen 17 Zielen zu platzieren, auch wenn vor allem die Ziele, die Gesundheit, Bildung, Geschlechtergerechtigkeit, Wirtschaft und menschenwürdige Arbeit sowie inklusive Gesellschaften betreffen, für LSBTI im Vordergrund stehen.

Wenn niemand zurückgelassen werden soll, wenn alle mitgenommen werden sollen auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit bis zum Jahr 2030, dann muss auch für alle klar sein, dass Themen wie die Universalität der Menschenrechte, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität in jedem einzelnen der 17 Ziele mitgedacht werden. Die Folgen von Klimawandel, Sicherheit in den Städten, Zugang zu Recht und Gesundheit betreffen alle Menschen, auch LSBTI. Zudem sind die Ziele nicht einzeln zu betrachten, sie überschneiden sich vielmehr. So kann Armut nicht losgelöst von Ungleichheit, Wasserversorgung, Kinderrechten oder Bildung angegangen werden, Exklusion und Benachteiligung können nicht getrennt von Fragen der Ernährungssicherheit, Wirtschaft und menschenwürdiger Arbeit oder Abbau von Ungleichheiten zwischen den Staaten betrachtet werden. Wenn es also an die Umsetzung der Agenda 2030 in den einzelnen Staaten geht, wenn Berichte verfasst und Erfolge gemessen werden, dann müssen alle dafür Sorge tragen, dass auch LSBTI und deren Belange in jedem einzelnen der 17 Ziele berücksichtigt werden, auch wenn sie nicht explizit darin Erwähnung finden. Der Mehrwert von Vielfalt für eine Gesellschaft einerseits und die enormen Kosten von Ausgrenzung und Diskriminierung für ein Gemeinwesen andererseits müssen klar herausgestellt werden.

Eine umfassende Gesundheitsversorgung für Trans* und Inter*Menschen ist unerlässlich. Ebenso ein Gesetz zur Geschlechtsidentität in allen Staaten, denn ohne (rechtlich) anerkannte Identität sind Menschen unsichtbar, benachteiligt, ausgegrenzt, sie werden zurückgelassen. Kriminalisierung von Homosexualität oder Cross dressing ist unvereinbar mit den Zielen einer inklusiven Gesellschaft, der Förderung des Wohlbefindens aller Menschen, der Gleichstellung der Geschlechter und der Stärkung aller Frauen und Mädchen oder menschenwürdiger Arbeit für alle. Andernfalls wäre das Versprechen, alle mitzunehmen nur eine leere Phrase.

Das Rad muss nicht immer wieder neu erfunden werden. Die Yogyakarta-Prinzipien oder der LSBTI-Inklusionsindex des UNDP müssen bei der Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele und bei der Evaluierung in den einzelnen Staaten als Referenzdokumente berücksichtigt, die jeweiligen Empfehlungen auch umgesetzt werden. Sehr wichtig sind Datenerhebung, Forschung und Studien zu Diskriminierungserfahrungen, um Missstände und Handlungsbedarfe aufzuzeigen. Auf entsprechende Vorhaben der Weltbank oder der Interamerikanischen Entwicklungsbank müssen die Zivilgesellschaften der jeweiligen Staaten Einfluss nehmen können. Sie stellen nicht nur die Kontakte zu den Zielgruppen her, sondern stehen mit ihrer Expertise als korrigierende Akteure zur Verfügung. Die Nachhaltigkeitsagenda zielt auch auf Mittel für deren Umsetzung und auf die Wiederbelebung der globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung, ein Rahmenwerk für die Finanzierung der nötigen Datenerhebung und Durchführung von Studien steht also zur Verfügung.

So identifizierte die Arbeitsgruppe zur UN-Nachhaltigkeitsagenda und LSBTI-Inklusion in Montevideo folgende Empfehlungen an die UN-Mitgliedsstaaten: LSBTI-spezifische Informationen in ihren Berichten zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele mit einbeziehen, zusammen mit der Zivilgesellschaft für die Umsetzung der Entwicklungsziele arbeiten und Mittel für die Datenerhebung, Studien und Evaluierungsprozesse zur Verfügung stellen. Darüber hinaus soll ein genauer Zeit- und Aktionsplan für die selbst gesteckten Ziele erarbeitet werden, damit dessen Umsetzung bei der nächsten Konferenz anhand einer Checkliste kontrolliert werden kann. Daran werden Vertretrer_innen der Arbeitsgruppe weiter arbeiten.

Klaus Jetz
LSVD-Geschäftsführung



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