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Eine Polizei für alle?

Teilnehmende des EGPA-Boardmeetings mit dem Berliner Polizeipräsidenten, Klaus Kandt (2.v.l.) (c) Marco KlingbergDie European Gay Police Association (EGPA) stellt sich vor

In diesen Tagen findet in Berlin ein Board-Meeting der EGPA, der European Gay Police Association, statt. Neben inhaltlichen und dienstlichen Aspekten dieser europaweiten Organisation lesbischer Polizistinnen und schwuler Polizisten wird auch der offizielle Umzug der EGPA-Spitze aus den Niederlanden nach Berlin Thema dieses Meetings sein. Wir sprachen darüber mit Petrik Thomann aus Zürich, Vice President for International Affairs der EGPA, und Marco Klingberg, einem der deutschen Vertreter im Board-Meeting und Landesvorsitzenden der Berlin-Brandenburgischen Organisation für Lesben und Schwule in Polizei und Justiz:

Was ist die European Gay Police Association und seit wann gibt es Euch?

Die EGPA wurde vor 12 Jahren anlässlich der 1. Europäischen Gay Police Conference in Amsterdam gegründet. Engagierte Polizistinnen und Polizisten vom ganzen Kontinent fanden, es sei allerhöchste Zeit, die unterschiedlichsten Probleme zur Homosexualität innerhalb der Polizeien auf den Tisch zu bringen und zugleich Beratungs- und Betreuungsangebote vorzubereiten. Sie schlossen sich zusammen, um in Form eines Dachverbandes der nationalen schwul-lesbischen Organisationen innerhalb der Polizeien ihre Ziele voranzutreiben, was in diesen Jahren viele andere Berufsgruppen ebenfalls taten. 

Die deutsche Organisation — VelsPol — gehörte zu den Gründungsorganisationen. Inzwischen zählen europaweit auch Justizbedienstete dazu, vom Strafvollzug bis zu den Staatsanwaltschaften. Reguläre nationale Mitgliedsorganisationen hat die EGPA nunmehr in der Schweiz, den Niederlanden, in Frankreich, Österreich, Belgien, Italien, Spanien, Irland, England, Schottland und Deutschland und ist befreundet mit assoziierten Verbänden etwa in den USA und Australien. Außerdem kommen Arbeitskontakte dazu, so zum Beispiel nach Israel, Schweden und Norwegen, und natürlich eine Vielzahl von interessierten Einzelnen, vor allem in den osteuropäischen Ländern.

Was ist das Ziel der EGPA?

Es gibt Ziele nach außen in die breite Zivilgesellschaft, und Ziele innerhalb der Polizeistrukturen. Nach außen geht es uns um Aufklärung und Prävention gegen Hasskriminalität, insbesondere unter jungen Leuten. Außerdem soll das Ansehen der Polizei unter den LGBTI selbst gefördert werden. Dabei ist uns in erster Linie wichtig, gegen die oft noch sehr hohe Angstschwelle der Opfer gegenüber der Polizei an sich zu wirken. Nicht jedes Opfer eines Hassverbrechens, das sich aus einer sexuellen Orientierung ergibt, findet den Weg zur Polizei.

Das wollen wir ändern: Neben den regulären Opferschutzbeauftragten in den Dienststellen wissen inzwischen viele Kolleginnen und Kollegen um unsere Arbeit und unsere Präsenz und sollten die Opfer zunächst sensibel mit uns in Kontakt bringen. Von uns könnten sie dann beraten werden, wie es weitergeht.

Doch auch umgekehrt — die Sensibilisierung der Polizistinnen und Polizisten für ihre lesbischen, schwulen, transgender sowie inter- und transsexuellen Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Dienststellen — ist identitätsstiftend in unserer Arbeit verwurzelt, und das in allen europäischen Ländern. Die Polizei ist nun einmal ein Spiegel der Gesellschaft, und auch unter unseren Kolleginnen und Kollegen gibt es nicht nur homofreundliche. Ihnen zu zeigen, dass eine Lesbe oder ein Schwuler, ein Transgender oder ein Inter- bzw. Transsexueller eine genauso gute Kollegin oder ein genauso guter Kollege ist, muss daher immer noch unser Ziel sein. Das übrigens auf allen Ebenen, bis hinein in die allerhöchsten Kommandostrukturen.

In ständiger Netzwerkarbeit wird dazu von der EGPA unter ihren Mitgliedsorganisationen ein permanenter Erfahrungsaustausch befördert, um Erfolge — aber auch Rückschläge — für alle europäischen Organisationen nutzbar zu machen. Dazu findet alle zwei Jahre eine Europa-Konferenz statt, auf der in Seminaren, Vorträgen und Workshops genau so ein Austausch angeboten wird. So ist es uns möglich, die Probleme, aber auch die Erfolge, in der eigenen Region mit den Partnervereinen auszutauschen. Dies tun wir häufig persönlich, um auch solche dienstlichen Kontakte untereinander knüpfen zu können, die demselben Ziel dienen, und oft von ähnlichen regionalen Fragen bestimmt werden: so gibt es beispielsweise innerhalb der EGPA immer wieder “halboffizielle” Gruppentreffen, wie die “Bodenseegruppe”, an der natürlich Deutschland, Österreich und die Schweiz beteiligt sind, da dort ganz andere Fragestellungen an der Tagesordnung sind, als zum Beispiel in Skandinavien.

Ein weiteres Ziel ist die Förderung gleich gelagerter Organisationen oder auch nur deren Ideen und Ansätze in solchen Regionen, wo sie noch nicht existieren und dennoch dringend notwendig sind. Ein gutes Beispiel wäre Osteuropa, aber auch so mancher “weiße Fleck” auf den Landkarten der westeuropäischen Staaten. Und natürlich wollen wir auch in unseren Mitgliederzahlen anwachsen, und hoffen, dass noch mehr homosexuelle Polizistinnen und Polizisten sowie Justizbedienstete in naher Zukunft unsere Arbeit in den Dienststellen, bei öffentlichen Veranstaltungen oder “in der Szene” unterstützen.

EGPA-Vizepräsident Alain Parmentier (Frankreich) und EGPA-Präsident Petrik Thoman (Schweiz) (c) Marco KlingbergWarum zieht es Euch jetzt nach Berlin?

Im vergangenen Jahr machte sich aus verschiedenen internen Gründen eine Neuausrichtung der Organisationsstruktur notwendig. Die deutsche Organisation — VelsPol e. V. — hat sich auf dem letzten Board-Meeting im November 2015 in Den Haag angeboten, wichtige Organisationsaufgaben zu betreuen und somit den europäischen Verband tatkräftig zu unterstützen. Und — ganz ehrlich — Berlin ist doch eine tolle Stadt für Lesben, Schwule, Transgender sowie Trans- und Intersexuelle. So freuen wir uns sehr, dass wir nunmehr hier unsere Organisation ansiedeln können. Außerdem ist Berlin mitten im Herzen von Europa und unweit der Grenzen zu Osteuropa. Und dahin, das haben wir schon erwähnt, geht unser Blick in den nächsten Jahren.

Weil wir gerade davon sprechen, was sind Eure Pläne?

Die Kraft dieser Gemeinschaft besser nutzen zu können! Eines der Hauptaugenmerke wird unser Blick in die osteuropäischen Mitgliedsländer der Europäischen Union und die Situation von LSBTI in den jeweiligen nationalen Polizeien sein. Was können wir tun, um den Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu helfen, sie zu unterstützen, sie an unseren langjährigen westeuropäischen Erfahrungen sinnvoll und regionalbezogen teilhaben zu lassen. Da werden wir über Formen und Methoden sprechen müssen. Und auch dort geht es ebenfalls in die andere Richtung, also um die Sensibilisierung der Polizeien und ihrer Führungen zur Thematik LGBTI.

Schließlich werden wir verstärkt versuchen, unsere Erfahrungen in der Prävention — aber vor allem: der Bekämpfung — von vorurteilsmotivierten Straftaten, der so genannten Hasskriminalität, in die Diskussion zu bringen. So wird es uns hoffentlich gelingen, der EGPA und ihren Anliegen innerhalb der Europäischen Union und ihrer Gremien mehr Gehör zu verschaffen, zum Nutzen aller LGBTI, nicht nur unserer Polizistinnen, Polizisten und Justizangehörigen.

Wenn wir innerhalb und im Umfeld der Polizeiarbeit sinnvoll und beachtet tätig sind, dann muss parallel dazu auch ein noch besserer Kontakt zu anderen LGBTI-Vereinen und Organisationen auf der Stufe Europa auf- und ausgebaut werden, um schließlich aktiv, bewusst und auch erlebnisbetont, das Ziel aller LGBTI zu unterstützen: Gleichberechtigung auf allen Ebenen und in jedem Land!

Vielen Dank und viel Erfolg.



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