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Homosexuelle Soldatinnen und Soldaten schreiben an Militärbischofsamt

Dokumentation: Offener Brief der AHsAB an den Militärbischof Overbeck

 

Sehr geehrter Herr Militärbischof Overbeck,

Sie haben sich in der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe vom 30.07.2011, S. 8 ) zum wiederholten Male äußerst negativ, ja sogar diffamierend gegenüber Homosexuellen geäußert. Wörtlich sagten Sie demnach: „Praktizierte Homosexualität ist objektiv sündhaft, auch wenn homosexuellen Menschen mit Achtung zu begegnen ist.“ Diese Aussage können wir als Interessenvertretung aller homosexuellen, bisexuellen und transsexuellen Angehörigen der Bundeswehr nicht akzeptieren. Sie verstoßen hiermit eindeutig gegen die in Artikel 1.1 des Grundgesetzes genannten Rechte, welche dort unumstößlich verankert sind.

Des Weiteren weichen Sie als Militärbischof der Deutschen Bundeswehr nicht nur eklatant von dem Erlass des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 20.12.2000 („Führungshilfe für Vorgesetzte — Umgang mit Sexualität“) ab , sondern Sie verstoßen auch gegen den Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte (EMRK), in dem die Privatsphäre ausdrücklich geschützt ist.

Für die Bundeswehr ist laut Aussage des ehemaligen Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Herrn Reinhold Robbe „nach nunmehr geltender Rechtslage  jede Benachteiligung von homosexuellen Soldatinnen und Soldaten untersagt“.

Gerade Sie als Militärbischof und oberster katholischer Seelsorger tragen Verantwortung für alle Soldaten und sollten ein Vorbild in Haltung und Gesinnung geben. Ihre Aussagen jedoch säen nur Zweifel und schüren Vorurteile.

Soldaten, die in den Auslandseinsatz gehen und dort Hilfe und Unterstützung benötigen, dürfen sich nun ernsthaft und mit Besorgnis fragen, ob denn ein katholischer Militärgeistlicher wirklich eine Stütze sein kann, wenn Sie als katholischer Militärbischof eine derart homophobe Politik betreiben. In einem nicht unerheblichen Teil der Probleme von Soldaten im Auslandseinsatz handelt es sich um Beziehungsprobleme. Doch an wen soll sich ein betroffener homosexueller Soldat wenden, wenn lediglich ein katholischer Militärpfarrer im Feldlager verfügbar ist? Nach Ihren Aussagen bleibt er mit seinen Problemen allein, denn Unterstützung kann er von Ihren Pfarrern nicht erwarten.

Deshalb ist es durchaus verständlich, dass sich kürzlich ein Mitglied unseres Vereins an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages gewandt hat, um diesen Mangel aufzuklären.

Sie ignorieren auch zum wiederholten Male und vorsätzlich eine UN-Erklärung — die im Übrigen auch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet hat — in der folgender Sachverhalt abgebildet ist:

[….] Wir sind zutiefst besorgt über die Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Desgleichen sind wir höchst beunruhigt darüber, dass Menschen in allen Ländern der Welt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität Opfer von Gewalt, Drangsalierung, Diskriminierung, Ausgrenzung, Stigmatisierung und Vorurteilen werden und dass diese Praktiken die Unversehrtheit und die Würde derjenigen untergraben, die derartigen Missbräuchen ausgesetzt sind. […]”.

Dem Ziel dieser Erklärung unterliegt auch die Bundeswehr als staatliche Organisation – der auch Sie als Militärbischof und Ihre Militärpfarrer verpflichtet sind. Sie jedoch treten dieses Ziel mit Füßen.

Viel schlimmer noch: In Ihren Äußerungen zum Thema Homosexualität sehen wir die  Gefahr, dass nun wiederum homophobe Vorgesetzte und Kameraden gleichermaßen in ihrem Denken und diskriminierenden Handeln den Rücken gestärkt sehen.

Sie sind zudem für den Lebenskundlichen Unterricht (LKU) zuständig. Und seit vergangenem Jahr ist der LKU für alle Soldatinnen und Soldaten verpflichtend. Wir zweifeln hiermit an, dass  katholische Militärseelsorger in der Lage sind, gerade homosexuellen Soldaten, die ebenfalls verpflichtend am LKU teilnehmen müssen, sinnvoll und vor allem glaubhaft die ethische Position der Bundeswehr in Bezug auf die gelebte Homosexualität vermitteln zu können, denn gerade Sie bezeichnen gelebte Homosexualität immer noch als sündhaft.

Wo bleibt hierbei laut Ihrer eigenen Aussage die Achtung gegenüber homosexuellen Menschen?

Unser Verein – der Arbeitskreis Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr e.V. – und die durch uns vertretenen Bundeswehrangehörigen zeigen sich bestürzt und äußerst besorgt über Ihre wiederholten Äußerungen zum Thema Homosexualität. Wir fordern Sie hiermit auf, diese Äußerungen zu korrigieren, um damit zu zeigen, dass Sie sich den Inhalten des Grundgesetzes und den Regeln der Bundeswehr verpflichtet fühlen. Nur dann können Sie auch weiterhin als Militärbischof allen Soldaten ethischer und moralischer Wegweiser sein, und wahrhaftig das militärische Zusammenleben positiv prägen.

 

Sebastian Fröhlich,

Vorsitzender des Arbeitskreis Homosexueller Angehöriger bei der Bundeswehr (AHsAB)



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