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Fällt das Adoptionsverbot?

Verfahren zur Stiefkindadoption adoptierter Kinder beim Bundes- verfassungsgericht

 

Familie Steinbeck © ENno Kapitza/GEOEine Familie mit zwei Kindern. Die eine Frau möchte die Kinder ihrer Lebenspartnerin adop- tieren. Sie darf das jedoch nicht, da es sich bei den Kindern um Adoptivkinder ihrer Partnerin handelt. Es ist unerheblich, dass diese schon seit 2002 bzw. 2005 mit dem lesbischen Paar zusammenleben. Denn seit 2005 können zwar leibliche, nicht jedoch adoptierte Kinder von den Lebenspartnerinnen und Lebenspartner ihrer Eltern adoptiert werden. Gegen dieses Verbot einer sogenannten Kettenadoption sind aktuell zwei Verfahren im Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts anhängig. Zum einen die Verfassungsbeschwerde einer Lebenspartnerin gegen einen ablehnenden Beschluss des OLG Hamm  (§ 9 Abs. 7 LPartG — 1 BvR 3247/09), zum anderen ein Vorlagebeschluss des OLG Hamburg,  der diesen Ausschluss für verfassungswidrig hält (Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 22.12.2010 — 1 BvL 1 / 11).

 

In einem Gutachten hat LSVD-Bundesvorstand Manfred Bruns dazu Stellung bezogen. Darin heißt es:

Die sozialen Eltern, die das adoptierte Kind ihrer Lebenspartnerin bzw. ihres Lebenspartners als Stiefkind adoptieren wollen, leben seit Ende 2002 bzw. seit 2005 mit ihren Partnern und den Kindern zusammen. Es besteht deshalb bereits jetzt zwischen ihnen und den Kindern eine Form der sozialen und personalen Verbundenheit, dass sie als Elternteil im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG anzusehen sind. Ferner nimmt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die leibliche Elternschaft gegenüber der rechtlichen und sozial-familiären Elternschaft keine Vorrangstellung ein. (vgl. BVerfGE 108, 82, 105 f.; BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 10.08.2009 — 1 BvL 15/09, Rn. 14). Die von den Stiefeltern angestrebte Adoption ihrer Stiefkinder hat auf die tatsächliche Lebenssituation der Kinder keinen Einfluss. Sie werden weiter in ihren Familien bleiben und aufwachsen, gleichgültig ob die Stiefkindadoption genehmigt oder abgelehnt wird. Es geht daher in diesen Verfahren nicht um die Frage, ob ein Kind zwei Männern oder zwei Frauen zur Erziehung und Betreuung anvertraut werden kann, sondern nur um die Verbesserung der rechtlichen Situation der Stiefeltern im Verhältnis zu ihren Stiefkindern und der rechtlichen Situation der Kinder im Verhältnis zu ihren Stiefeltern.“

 

Durch die Stiefkindadoption wird die Elternstellung der Stiefeltern folglich rechtlich bestätigt und abgesichert. Sollte ihren Partnerinnen und Partner etwas zustoßen, könnten die Kinder auf jeden Fall bei ihnen bleiben. Bislang ist das oft nicht so. Die Kinder würden zugleich zusätzliche Unterhalts- und Erbansprüche gegen ihre Stiefeltern erwerben. Außerdem würde sich die finanzielle Situation der Familien deutlich verbessern. Zurzeit werden Lebenspartnerinnen und Lebenspartner im Einkommensteuerrecht noch wie Ledige eingestuft und ihre Stiefkinder steuerlich nicht als Stiefkinder berücksichtigt. Stiefeltern steht deshalb weder ein Kinder- und Betreuungsfreibetrag zu, noch können sie Aufwendungen für den Unterhalt oder die Ausbildung ihrer Stiefkinder als Sonderausgaben geltend machen.

Gegen die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare wird eingewandt, sie sei mit dem Wohl der Kinder nicht zu vereinbaren. Kindern bräuchten gegengeschlechtliche Eltern, um sich zu „gesunden Heterosexuellen“ entwickeln zu können. Ähnlich sieht es auch der Beschluss des OLG Hamms. Diese Argumentation wird nicht nur von zahlreichen Studien hinlänglich widerlegt, sondern nun hoffentlich auch vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Der LSVD wird die Verfahren mit großer Aufmerksamkeit begleiten.

Dr. Elke Jansen, LSVD-Projekt “Regenbogenfamilien”

Die vollständige Stellungnahme des LSVD findet sich hier.



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