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Eheöffnung braucht keine Grundgesetzänderung

Studie im Auftrag der Friedrich Ebert StiftungÄnderung im Bürgerlichen Gesetzbuch ausreichend

Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare war Thema einer Veranstaltung am 15. Juni in Berlin. Dr. Friederike Wapler stellte ihre gleichnamige, im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) erstellte Studie vor. Einführend berichtete sie über befremdliche „Bauchargumente“ von Staatsrechtler/innen und wies auf einige weiterhin bestehende Diskriminierungen von Eingetragenen Lebenspartnerschaften im Vergleich zur Ehe hin. Das inzwischen von der Bundesregierung beschlossene „Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner“ löse einige der zentralen Probleme nicht. Sie wolle in ihrem Vortrag – wie in der Studie –darlegen, dass die Öffnung der Ehe verfassungsrechtlich sehr wohl möglich sei.

Dass mit der in Artikel 6 des Grundgesetzes genannten Ehe eine Verbindung von Frau und Mann gemeint ist, sei ein Postulat des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings habe sich das Gericht seit 1993 nicht mehr explizit mit der Frage der Ehedefinition befasst, sondern wiederhole in nachfolgenden Entscheidungen den damals gefassten Beschluss. Dieser beschreibe das wahrgenommene Eheverständnis, postuliere dies aber nicht als unveränderliche Position. “Aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes lässt sich nicht ableiten, dass der Ehebegriff für alle Zeiten auf ein Verständnis als verschiedengeschlechtliche Partnerschaft festgelegt wäre.“, so Dr. Friederike Wapler. Seit 2013 sei hier auch ein Aufweichen der „Front“ der Verfassungsrechtler/innen zu beobachten.

Auch in der Bevölkerung ändere sich die Einstellung. So zeige bereits eine Untersuchung der FES von 2011, dass 60% der Bevölkerung einer Eheöffnung positiv gegenüber stehen und 88% der Meinung zustimmen, dass gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern Familien sind. Der Verfassungsgeschichte und der unterstellten Position der Väter und (wenigen) Mütter des GG stehe heutzutage zudem entgegen, dass das Ehebild sich gegenüber 1948/49 fundamental geändert habe, etwa hinsichtlich der Gleichberechtigung der Eheleute, dem freien Scheidungsrecht und der freien Ausgestaltung des ehelichen Alltags. Darüber hinaus sei die Annahme, dass die Ehe der beste Ort sei, an dem Kinder aufwachsen, eher eine Idealisierung als eine realitätsbezogene Aussage. Es existiere keine einzige Studie, die das wissenschaftlich untermauern oder gar unzweifelhaft belegen würde. Auch der Behauptung, gleichgeschlechtliche Paare hätten keine gemeinsamen biologischen Kinder und trügen somit nicht zum Weiterbestehen der Gesellschaft bei, sei entgegen zu halten, dass zahlreiche verschiedengeschlechtliche Paare gewollt oder ungewollt keine Kinder, etliche gleichgeschlechtliche Paare aber sehr wohl Kinder haben. Eltern-Kind-Beziehungen müssten rechtlich allesamt gleichgestellt sein.

Zu den Konturen eines pluralen Ehebegriffs gehörten etwa

  • Verantwortungsgemeinschaft
  • Zwei Personen
  • Nicht in gleicher Linie verwandt
  • Volljährig
  • Auf Dauer angelegt
  • Freiwilligkeit
  • Rechtliche Formalisierung

Für eine Eheöffnung bevorzugt Dr. Friederike Wapler eine Lösung im Bürgerlichen Gesetzbuch. Mit dem Grundgesetz sei das vereinbar. Denn im deutschen Verfassungsrecht sei Ehe schlichtweg nicht definiert. Die heutige Interpretation des Verfassungsrechts sei eine Schlussfolgerung aus einem traditionellen Verständnis heraus. Es sei jeder weder die einzig mögliche Schlussfolgerung noch trage sie dem gesellschaftlichen Wandel länger Rechnung.

Die Studie ist online zu finden.

Henny Engels
LSVD-Bundesvorstand



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